Geschichten zum Nachdenken

Bei der monatlichen Jugendvigil (im Stift Heiligenkreuz) erzählt immer ein junger Mönch eine (oft wahre) „Geschichte“. Dort werden keine „G’schichtln“ druckt, sondern diese Erzählungen wollen uns zum Kern der Botschaft Jesu führen!

Ein großes „Danke!“ an die Jungmönche für ihre Mühe! Und ein großes „Danke!“ an Gott, für das Talent der jungen Mönche solche Geschichten zu formulieren!

JugendvigilKlian

Die Juvi-Geschichte vom 6. November 2015 (Fr. Georg Maria)

“Wenn’s nach dem Tod nichts mehr gibt – also gar nichts”, sagte Leopold, “wenn’s nach dem Tod nichts mehr gibt, dann sind korrupte, machtgierige Politiker, gewissenlose und geldversessene Banker und Börsenmakler, schamlose Mörder und Verbrecher, diejenigen, die ihr Leben am konsequentesten leben.”
Anna schluckte.
Leopold hatte so die Angewohnheit, Sachverhalte möglichst drastisch auszudrücken.
Aber eigentlich hatte er ja doch recht.
In was für einer furchtbaren Welt leben wir bitte?, dachte sich Anna. Ohne Liebe und Menschlichkeit. Ohne Verantwortungsbewusstsein.

Aber wenn die Botschaft des Christentums wahr ist, nämlich dass es nach dem Tod noch weitergeht und wir nicht einfach nur von Würmern durchlöchert werden, und wenn wir uns diese Wahrheit beständig vor Augen halten, dann können wir doch gar nicht anders, als das gleiche wie Jesus zu tun. Nämlich sein ganzes Leben für den Nächsten hingeben.
Naja, das würde Anna jetzt nicht unterschreiben. Es ist doch allzu offensichtlich, dass es in unserer Welt ganz anders zugeht. Da schert sich niemand um den Nächsten. Zumindest scheint es so. Denn irgendwie wandeln alle durch die Welt und durchstreifen sie, ohne auch nur einen Augenblick für ihre Mitmenschen zu verschwenden. An Obdachlosen wird schnurstracks vorbeigegangen, ohne sie eines Blickes zu würdigen, weil sich dann ja ein schlechtes Gewissen melden könnte, das es unter allen Umständen zu verhindern gilt. Alte und kranke Menschen werden in Heime und Hospize gesteckt, wo sie noch für einige Zeit künstlich aufgepäppelt werden, um dann endgültig diese Welt zu verlassen. Die Liste ließe sich endlos fortführen. Stattdessen füllen die Menschen ihre Zeit mit weltlichen Freuden und dem Verschaffen von irdischen Gütern. Das eigene Ich wird überladen mit Geschenken, sodass man durch diesen Haufen hindurch das Leid des Nächsten nicht einmal sehen kann.

“Ja aber genau das ist es ja!” unterbrach sie Leopold. „Die Menschen versuchen, dadurch ja nur das laute Schreien dieser Frage nach dem Tod zum Schweigen zu bringen. Sie lassen ihr ganzes Leben von diesem unbedeutenden Blödsinn bestimmen.
Über den Tod haben sie das letzte Mal in der Pubertät nachgedacht; und vielleicht noch kurz bei Begräbnissen. Aber es ist doch erstaunlich, wie schnell man wieder in diesen Strom der Zeit zurückfällt. Der Sarg wird in den Boden gesenkt, Erde wird darüber gestreut, und noch ehe er ganz bedeckt ist haben wir unsere Gedanken über Leben und Tod über Bord geworfen, weil sie einfach unangenehm sind und wir zu bequem sind über Dinge außerhalb dieser Welt nachzudenken.“

Nun ja, Anna ließ es sich nicht nehmen und dachte nach. Und sie kam tatsächlich zu dem Schluss, den Leopold so knapp und brisant ausgedrückt hatte. Nämlich, dass man, wenn das mit dem Christentum stimmt, alles für seinen Mitmenschen tun müsse.

Sie ging nicht mehr im Gewimmel der Stadt an den vielen Bettlern vorbei, sondern brachte ihnen die Achtung entgegen, die sie als Menschen verdienten; und wenn sie gerade nichts zu verschenken hatte, gab sie ihm ein nettes Wort oder wenigstens ihr charmantes Lächeln. Sie ging in ein Altenheim in ihrer Nähe und besuchte wildfremde Leute, zu denen niemand mehr kam. Es waren diese kleinen konkreten Taten, die einem so abgedroschen vorkommen, wenn man sie hört, aber zu denen man trotzdem immer wieder angehalten werden muss, weil sie nicht in die Tat umgesetzt werden.

Anna vertiefte durch ihre Werke der Nächstenliebe auch ihre Liebe zu Christus. Sie war in vielen Gebetskreisen dabei und kam auch zur Jugendvigil. Zuletzt im August.

Im September hatte Anna einen Autounfall. Anna starb im Alter von 20 Jahren.
Bei ihrem Begräbnis waren sehr viele Menschen. Verwandte, Bekannte, Schulfreunde, und der relativ junge, katholische Freundeskreis.

Die Trauer über Anna war den Anwesenden ins Gesicht geschrieben.

Die oberen Wangenpartien waren angeschwollen und gerötet, die Tränensäcke überfordert von so viel Flüssigkeit. Bei einigen zitterte das Kinn, andere schluchzten. Dem Anschein nach sahen die Gesichter aller Trauernden gleich aus; und dennoch gab es zwei Gruppen von Trauernden.

Bei näherer Betrachtung erkannte man, ob die Person – äußerst verzweifelt – ihren Blick starr auf den Sarg richtete und dass ihre Trauer purer Egoismus war, weil sie ihrer guten Freundin beraubt wurden;

oder ob die Person von christlicher Hoffnung getragen, trotz des unerträglichen Schmerzes, ihr Gesicht zum Himmel emporheben konnte; für die schönen Begegnungen mit seiner Dienerin Gott dankte und zumindest innerlich Annas unvergessliches Lächeln widerspiegelte.

HERR JESUS,

in deiner unermesslichen Weisheit hast du Anna schon sehr früh zu dir nach Hause geholt. Lass uns nicht mit dir hadern oder darüber mit dir verhandeln. Sondern schenk uns die notwendige Demut, um deinen Willen anzunehmen und das Vertrauen darauf, dass du nur unser Bestes willst und es auch gibst.

Die Juvi-Geschichte vom Oktober 2015 (Fr. Isaac Maria)

„Du da! Vortreten!“ Franciszek drehte sich verzweifelt nach links und nach rechts. Sein Puls raste, seine Pupillen schossen in den Augen gehetzt von einer Seite zur anderen.
„Tritt vor du Schwein!“ Schweiß schoß Franciszek aus allen Poren. Selbst seine zu Eiszapfen erstarrten Füße, die sich in den polnischen Schlamm bohrten, wurden warm. „Aber, aber, meine..“, stammelte er. „Nicht reden, vortreten!“, schrie ihn Hauptsturmführer Fritzsch an. Schwankend tappte Franciszek aus der Reihe in Richtung des Offiziers, er wurde bleich und setzte erneut an um etwas zu sagen: „Meine Frau und meine Kinder!“, schluchzte er wurde aber vom Offizier durch einen Schlag mit dem Gewehrkolben zum Schweigen gebracht. In diesem Moment hörte er hinter sich eine Stimme, die wie ein Räuspern klang. Auch der Offizier hatte es vernommen und fauchte abschätzig, so, dass es sich mehr nach einer Beleidigung anhörte, als nach einer Frage: „Was willst Du, Priester!“
Der Priester antwortete ruhig und aufrecht: „Nehmt mich und lasst diesen Familienvater am Leben!“ Franciszek und dem Offizier stockte beiden der Atem. Nach der kurzen Stille wurde der Offzier laut: „Ok, wir nehmen Dich mit, Du bist eh schon lang dran!“, schrie er in Richtung des Priesters. Dieser und neun weitere Häftlinge wurden abgeführt.
Franciszek spürte den Schlamm um seine Füße. Er stand mitten auf dem Feld  zwischen dem 12. und dem 13. Block.
Was war geschehen?
Der Nationalsozialismus war ein System, das nur auf Angst und Hass aufbaute. Es gipfelte in seiner Perversität im Konzentrationslager Auschwitz. Dort traf die Keule des Hasses wehrlose Menschen mit voller Wucht. Eines Tages entkam aus Block 13 ein Häftling. Nachdem eine Nacht vergeblich nach ihm gesucht wurde, rief die Lagerleitung alle Häftlinge des Blocks zum Appell. Für den einen entkommenen Häftling, sollten zehn andere sterben – und zwar im Hungerbunker. Das bedeutete einen qualvollen Tod durch Verdursten bzw. Verhungern. Unter Ihnen auch der Familienvater Franciszek Gajowniczek. Als dieser aufgerufen wurde und in Weinen über seine Familie ausbrach, trat ein Mann aus der Menge der Gefangenen: Pater Maximilian Kolbe, Franziskanerpater, Medienpionier, Gründer eines Radios, einer Zeitung mit Millionenauflage und Gründer eines Klosters für die Verbreitung des Glaubens durch die Medien: 400 Mitbrüder, Flughafen, Bahnhof, so die Bilanz des Klosters; 1941 deportiert nach Auschwitz.
Als nach 3 Wochen ohne Essen und Trinken, die der Franziskaner Maximilian Kolbe und die neun anderen im Hungerbunker verbrachten, immer noch ihr Lobpreis und Gebet durch die Lüftungsschächte des Bunkers in den Lagerhof schallten, brachte die Lagerleitung die Überlebenden durch eine Giftspritze um.
Es war der Juli 1941. Der Hass des Naziregimes gipfelt in Gräueltaten. Dieser Hass des Regimes führt zu Ganzhingabe eines Franziskaners um der Liebe willen. Dieser Hass katapultiert ihn in den Himmel.
Ihn trifft die volle Wucht des Hasses – Er betet für seine Peiniger.
Er wird geschlagen – Er lobt Gott.

Was ist wirklich mächtig?
Der Hass oder die Liebe?

HERR JESUS,

Liebe ist nichts für Weicheier.
Lass uns lieben bis zu der Hingabe,
die wir sehen,
wenn wir auf dein Kreuz schauen!
Komm Herr Jesus, Maranatha!

AMEN.

Die Juvi-Geschichte vom 7. August 2015 (Fr. Georg Maria)

Harald hatte Langeweile. Er saß da auf diesem ungemütlich kalten und harten Holzverschlag, stützte seine Ellenbogen auf seinen Knien ab und legte seinen Kopf in die Handflächen. Er atmete tief durch und schloß die Augen. Gott, war das langweilig. Er versuchte zu dösen. Es gelang ihm aber nicht. Da steht im Kreuzgang so ein Mönch von 18 Jahren, der wahrscheinlich sein ganzes Leben in der Kirche verbracht hatte und nie irgendwie rausgekommen ist um zu sehen was “Leben” bedeutet. War noch nie in der Disco; hat noch nie rumgemacht, also so richtig; hatte noch nie einen Vollrausch.. Alles das, was man Haralds Meinung nach einmal gemacht haben muss, um sagen zu können, dass man “gelebt” hat.

Und jetzt will der, nur weil er ein Kleidchen trägt, genau wie meine Mutter mir weismachen, was ich tun und was ich lassen soll? Tss. Diese 08/15-Geschichten von irgendeinem Versager, der einen Gott braucht, damit es ihm wieder besser geht. Die hat doch jeder satt.

Harald hatte mit der Kirche noch nie was am Hut. Bei der Erstkommunion hatte er noch seine Geschenke abgegrapscht und dann: Auf nimmer Wiedersehen!

Einmal hatte er im Fernsehen Pater Karl gesehen. Der erzählte dort irgendetwas von einem Sportraum im Kloster. Da horchte Harald natürlich auf. Für Sport war er immer zu haben. “Wir laden auch junge Männer ein zu geistlichen Sportwochen, damit wir sie sowohl körperlich als auch geistig trainieren.” Harald googelte und fand Stift Heiligenkreuz. Hm, dachte er, das ist ja ganz in der Nähe. Und wenn man da kostenlos trainieren kann…

Harald stieg also eines Tages in sein Auto und fuhr hierher. Er hatte sich mit Pater Karl schon einen Termin ausgemacht. Als er im Sportraum ankam, staunte er nicht schlecht. Wow, ist das ein Viech! Pater Karl stemmte gerade an die 100 kg. Da konnte selbst Harald nicht mithalten. Nach einem anstrengenden Training meinte Pater Karl, er müsse zur Vesper. Er verabschiedete sich von Harald, indem er ihm für das gute Training dankte und zu einer “Jugendvigil”, was auch immer das sein mochte, einlud. Harald blieb noch ein bisschen im Sportraum und unterhielt sich mit den anderen jungen Leuten, die ebenfalls mit ihnen trainiert hatten. Was is’n das, ne “Jugendvigil”?

“Das ist so ne Sache von Pater Karl. Wer in Heiligenkreuz trainiert, muss auch zur Jugendvigil. Im Grunde so was wie ne Messe nur nicht mit den Omaliedern. Und es sind fesche Mädels dort.” antwortete ihm ein Bursche, den Harald schon vom Fortgehen her kannte. “Und nachher gibts was zu essen”, rief sein rundlicher Freund mit einem riesigen Grinsen im Gesicht drein.

Harald verabschiedete sich von seinen Trainingspartnern und ging nach Hause.

Und jetzt saß er da, eine Woche später, bei der Jugendvigil.

Harald saß bei seinen Freunden aus dem Trainingsraum, die sich ebenfalls langweilten und in ihren Handies tippten und scrollten. Harald holte auch sein Handy heraus und fing auch an zu tippen und zu scrollen. Er ging währenddessen den anderen nach, zurück in die Kirche.

Dann wurde alles still. Die anderen knieten sich alle hin. Harald blickte auf. Was’n jetzt los? Er sah sich um, steckte sein Handy in die Tasche und schaute nach vorne auf den Altar, wo die Monstranz stand, umgeben von viel Weihrauch. Jetzt wurde auch Harald still und überlegte sich, wie das denn sein könne.

Wieso treffen sich an einem Freitagabend, wo man doch so viel besseres tun könnte, so viele in einer Kirche?
Diese ganzen jungen Leute versammeln sich um ein Stück Brot?
Wieso singen sie Lieder, knien sich hin und beten?
Kann es sein, dass das uralte Märchen vom Lieben Gott doch wahr ist?
Dass es da oben doch jemanden gibt, der auf Harald aufpasst, ihn versteht und ihn … naja … liebt? Harald kniete sich hin und betete.

Herr Jesus,

Heute bitten wir dich für Leute wie Harald, die Dich nie näher kennen gelernt haben; für Menschen wie ihn, die glauben ohne dich zurechtzukommen und denen die beschränkten Freuden in dieser Welt genügen. Lass in ihnen eine Sehnsucht wachsen, die niemand zu stillen vermag außer Dir. Zeig Dich ihnen als das einzig Wichtige auf der Welt und schenke ihnen deine unglaubliche Freude.

Amen.

Nachtrag: Die Juvi-Geschichte vom 2. Mai 2015 (Fr. Isaak Maria)

„Was war das gerade?“ Frater Samuel merkt wie sich seine Augen mit Tränen füllen, als er die Kapelle durch die Tür verlässt. Während er der der Schlange seiner Mitbrüder folgt, die sich alle in Richtung Mittagessen bewegen, merkt er wie sich eben sein ganzer Tag verändert hat – in einer Begegnung. Seine Mitbrüder gehen die Stiegen hinab durch die Fraterie und betreten den Kreuzgang, in dessen Mitte die Sonne jetzt, zur Mittagszeit, in voller Kraft strahlt. Es sind die ersten schönen Frühlingstage, die eigentlich keinen kalt lassen.  „Außer mich!“, denkt Frater Samuel. Er war heute früh etwas missmutig aufgestanden und zum Morgengebet und zur Messe getrottet – fast wie ein Kontrast zum lebhaften Zwitschern der Frühlingsvögel. Beim Frühstück war er schon kurz mit einem Mitbruder aneinandergeraten, weil er seiner Laune Luft gemacht hatte. Im Laufe des Morgens wurde das alles nicht viel besser. Er ärgerte sich über sich selbst: Warum hat er denn den Mitbruder so zur Schnecke gemacht? Warum war er so schiach (dt. hässlich) zu den Besuchern gewesen? Und gerade weil er sich den ganzen Morgen über sich selbst ärgerte, verpasste er den Prüfungstermin, den er eigentlich an der Hochschule hatte. „Man ey, es reicht!“. Mit Wucht hatte er sein Buch an die Wand seiner Zelle geschmissen.

Nun kommt Frater Samuel in der Reihe seiner Mitbrüder am Brunnenhaus des Kreuzgangs vorbei, während der Herr Abt vorne schon ins Refektorium, den Essensraum, abbiegt. Es war einer dieser Tage, die man am liebsten vergessen würde. Bis zu dieser Begegnung eben, in der Kapelle. Samuel holt tief Luft und wischt sich die Tränen aus den Augen, die ihm jetzt wie ein Geschenk vorkommen. Als auch er in den Vorraum des Essensraums einzieht, lässt er das Erlebte noch einmal Revue passieren:

Er war ganz verärgert im Mittagsgebet gewesen – verärgert über sich selbst, verärgert über seine Fehler: „Wie kann mir nur so etwas passieren?“

Das Mittagsgebet ist schon fast zu Ende, da fällt Frater Samuel ein junges Mädchen auf.

Sie ist kein gewöhnliches Mädchen, denn sie sitzt im Rollstuhl. Neben ihr sitzen ihre Mamma und ihr Papa, vermutet Frater Samuel, da sich das Mädchen offensichtlich nicht selbst helfen kann. Sie ist etwa 20 aber sie ist eben anders, ihre Hände sind ganz verkrümmt, ihr Kopf seitlich nach hinten geneigt und ihre Bewegungen sind unkontrolliert. „Die Arme“, denkt sich Frater Samuel beim Verlassen des Chorgestühls, „die kann so wenig tun“. Als er an dem Mädchen vorbeikommt, überwindet er sich dazu sie anzulächeln. Es hat ihn Überwindung gekostet, aber dann trifft sein Blick ihren Blick. Sie lächelt. Irgendetwas fasziniert ihn: Was er sieht ist nicht künstliche Schönheit, oder Perfektion, nicht eine Fassade, nicht etwas Unechtes, er sieht keinen Ärger bei ihr. Er sieht Schönheit, Wahrheit, Ehrlichkeit, nicht irgendwie verborgen, sondern all das strahlt ihm förmlich ins Gesicht. Im selben Moment wird er von der Ausstrahlung dieses Menschen so getroffen –im Innersten– sodass er zu weinen anfängt.  Er legt seine Hand beim Vorübergehen auf ihre Schulter und geht weiter, ohne seine Tränen, die ihn durchströmen auch nur im Ansatz zurückhalten zu wollen. „Was war das?“, denkt er sich.

„Frater Samuel! Aufwachen! Was ist denn los mit dir?“ Frater Samuel bemerkt jetzt erst, dass er ja immer noch vor dem Essensraum steht – Vor ihm steht Frater Lukas, der ihn mit fragendem Blick anschaut, vielleicht auch, weil er die Tränen in seinen Augen bemerkt: „Was ist denn los?“
„Gerade“, antwortet Frater Samuel, mit einer Stimme voller Freudentränen, „habe ich gemerkt was es heißt zu leben. Sie, das Mädchen im Rollstuhl hat es mir gezeigt. Nicht weil ich gesund bin und sie krank. Nein, weil sie lebt und ich mich über Leistung definiere. Lukas, wir sind nicht das wert, was wir leisten oder verbocken, was wir perfekt oder aus Versehen falsch machen, was wir zum Gefallen der Menschen oder zu unserem eigenen Beschämen machen. Gerade habe ich von jemandem gelernt, was Leben ist: Von Gott geliebt zu sein unabhängig von dem was ich leiste. Er liebt mich, weil ich sein Kind bin. “

Herr Jesus!
Oft sind wir verzweifelt, leiden an Minderwertigkeitskomplexen, denken wir sind wenig wert oder vergleichen uns mit Anderen, die scheinbar besser sind als wir. Hilf uns, dass wir mit unseren Fehlern und Grenzen richtig umgehen: Dass wir sie bereuen aber uns deiner Liebe immer bewusst sind. Hilf uns, dass wir uns so lieben und annehmen, wie Du uns liebst, in Wahrheit, Ehrlichkeit, ohne Fassaden und ohne Abstriche!

Hilf Du uns zu erkennen was Leben ist. Hilf Du uns zu wissen, dass Du uns nicht liebst weil wir so viel wert sind, sondern, dass wir so viel wert sind, weil Du uns liebst! Amen.

Peter kann’s nicht glauben

Die Juvi-Geschichte von Frater Georg Maria vom 5. Juni 2015

Um halb 10 wachte Peter ganz verkatert auf. Die Musik von der Blaskapelle hatte ihn geweckt. Gestern war er so richtig betrunken. Die bestandene Matura musste schließlich gefeiert werden. Gut, jetzt bereute er es. Er hatte wahnsinnig viel Geld ausgegeben und jetzt erinnerte er sich nur noch dunkel an den gestrigen Abend, und dazu kamen noch die unerträglichen Kopfschmerzen. Da, schon wieder die Blasmusik. Peter wollte schier ausrasten. Da hatte man nun endlich frei und wurde gleich am ersten Tag in aller Frühe geweckt. Peter taumelte in sein Badezimmer um seinen Brand durch gute 1,5 Liter Wasser zu löschen, setzte sich dann in seinen bequemen Lesesessel, schloss seine Augen und nickte ein. Aber nur für ein paar Minuten, dann spielte wieder die Kapelle.

Jetzt reichte es ihm. Peter torkelte zum Fenster, riss es auf und wollte schon seinen Zorn kundtun, konnte sich aber nicht artikulieren. Er machte ein paar Mal den Mund auf und zu, beruhigte sich ein wenig, starrte auf die Straße und schloss wieder seine Augen. Die frische Luft tat ihm gut.

Kurze Zeit später sah er eine Menschenmenge herankommen. Er brauchte einen Augenblick um zu realisieren, was da vor sich ging. Vorne gingen Ministranten in rotweißen Kleidern mit Kreuz und Fahnen, dann kam die Feuerwehr im Gleichschritt daher marschiert, zumindest sollte es Gleichschritt sein, es folgte wieder eine kleine Ministrantenschar mit Weihrauch und Glocken.

Und dann kam der Priester. In den wertvollsten Messgewändern, die es in der Kirche gab, umhüllt mit dem Velum. Mit erhabenem Schritt  Sein Blick war auf das Stück Brot in der Monstranz konzentriert und wich nicht davon ab. Seine Augen waren ein wenig zusammengekniffen und feucht. Rundherum herrschte reger Trubel die Kinder schrieen und kreischten, liefen mal hinter, mal vor der Prozession her, die Blasmusik spielte einige Lieder, die man wegen der Disharmonien kaum erkennen konnte, Frauen tratschten und Männer unterhielten sich über dies und das. Aber im Zentrum der Prozession, unter dem Himmel herrschte eine angenehme Stille, die Peter sogar vom Fenster aus spürte. Der Priester schaute immer nur auf diese weiße Scheibe und segnete das Gottesvolk mit der Monstranz durch kleine Kreuzzeichen.

Peter ging zurück zu seinem Lehnsessel, ließ sich fallen und machte jetzt etwas, das er schon seit seiner Matura nicht mehr gemacht hatte…

er dachte nach.

Er dachte nach über das, was er gesehen hatte. Wie es sein konnte, dass sich so viele Leute eigentlich ja nur um ein Stück Brot herum versammeln, und weshalb man deswegen eine Veranstaltung macht mit einem so merkwürdigen Namen. Fronleichnam was heißt’n das überhaupt.

Früher als Ministrant war Peter jedes Jahr bei diesem Fest und er glaubte auch wirklich daran, was ihm der Pfarrer darüber gesagt hatte, dass das eigentlich kein Brot war sondern der Liebe Gott selbst. Damals hatte Peter noch gebetet zum lieben Gott. Lieber Gott mach dass mein Hamster wieder gesund wird, lieber Gott mach dass ich auf den Test einen Einser bekomm. So ein Schwachsinn dachte Peter. Wie dumm ich doch war. „Heute“, dachte sich Peter, „heute bin ich aufgeklärt und lebe nach meinem Verstand. Na ja, bis auf gestern Abend“.

Aber eines lag Peter noch im Hinterkopf. Der Pfarrer war eigentlich ein sehr schlauer Mann. Peter konnte immer zu ihm kommen und ihn fragen, wenn er Probleme in der Schule hatte. Wie konnte jemand, der seinen Verstand so intensiv, nutzte an so etwas glauben? Diese Frage ließ Peter nicht in Ruhe, bis er schließlich am Nachmittag allen Mut zusammennahm, zum Pfarrhaus ging, und sich vom Pfarrer auf einen Kaffee einladen ließ.

Er begann das Gespräch indem er sämtliche klassische Vorwürfe an die Kirche vortrug. Es gibt keinen Gott. Wie sollen Tote zum Leben erstehen und die ganze Kirche ist ja eh von vorgestern. Die ganze Palette. Der Pfarrer saß still da und schaute auf seinen Kuchen in dem er herumstocherte. Peter spürte, dass er betete.

Während Peter kurz Luft holte, fragte ihn der Pfarrer, ob er denn endlich fertig sei. Peter hielt inne und ließ den Priester fortfahren. „Schau dich doch mal um, Peter, schau dir die Größe des Universums an, die Schönheit der Natur, diese perfekte Ordnung in den Wissenschaften, in der Mathematik. Und sieh dich an. Wie kann es sein, dass du dir solche Fragen stellen kannst, dass du so einen brillanten Verstand hast. In der Welt gibt es nichts Größeres als den Menschen und dennoch wirst du schnell merken, dass du nicht vollkommen bist.“ Beschämt schaute Peter zu Boden und dachte an den vergangenen Abend.

Der Pfarrer fuhr fort: „ich habe erkannt, dass so etwas Großartiges nicht Zufall sein kann.“

„Das heißt aber noch lange nicht, dass ein Gott irgendwo da draußen sich in ein Stück Brot einnistet.“ erwiderte Peter. „Da hast du Recht. Das ist nicht selbstverständlich. Das ist auch nicht mit dem Verstand zu fassen. Aber der Verstand ist nicht alles!“

„Die Liebe ist es weshalb sich der Liebe Gott zu uns herabbeugt. Er möchte uns zeigen, dass er da ist, in einem so banalen Stück Brot.“

Was bewirkt es, wenn du Brot isst, Peter?“

„Ich habe keinen Hunger mehr“

„Wer von diesem Brote isst, wird nicht mehr Hunger leiden. Hier ist der Hunger nach Glaube, Sinn, Hoffnung, Liebe gemeint. Wenn du kein Brot isst, musst du sterben. Wenn du aber Brot isst, dann lebst du und wenn du dieses Brot isst, dann lebst du auf ewig.“

Peter schwieg.

Er verließ das Pfarrhaus ganz verstört.

Er konnte es nicht glauben.

Herr Jesus,

Du hast dich für uns hingegeben. Uns fehlt oft der Glaube, weil wir unser Herz vom Verstand zu sehr einengen lassen. Gib uns ein offenes Herz, damit wir in Eintracht von Verstand und Glaube dich in der heiligen Eucharistie loben und preisen.

Amen.

Die Juvi-Geschichte vom 10. April 2015 (Fr. Georg Maria)

Jerusalem am 7. April des Jahres 30.

Es ist 6 Uhr. Tagwache im Lager der römischen Soldaten. Es war ein Tag wie jeder anderer und doch hatte Cassius das Gefühl, dass eine drückende Schwüle in der Luft lag. Nachdem er sich gewaschen und die Latrine aufgesucht hatte, meldete er sich zum Dienst. Abenader, der Hauptmann, teilte bei der Tagesbesprechung mit, dass die Juden heute wieder besonders rebellisch seien. Es gab keinen Tag in Jerusalem, an dem er nicht zu Pilatus gerufen wurde. Die Juden waren ein winziges Volk an einem der ungemütlichsten Orte des Römischen Reiches und doch hatten sie ein solches Temperament und einen solchen Stolz, als wären sie Römer.

Heute sollten schon wieder ein paar Aufrührer gekreuzigt werden. Fast könnten sie einem schon Leid tun, – – – diese Juden die rotten sich noch selbst aus. Cassius konnte die Kreuzigungen, bei denen er mitgeholfen hatte, gar nicht mehr zählen. Über die Grausamkeiten, die er und seine Kameraden den Verurteilten zufügten, setzte er sich mit dieser simplen Ausrede hinweg: „Jeder der sich dem Kaiser widersetzt ist gegen das Römische Reich! Und wenn die Götter politisch sind und sich auf der Erde einmischen, dann sind sie in jedem Fall auf der Seite des römischen Imperiums. Allein diese Größe, die vielen Völker die unterworfen wurden…!“ Auf diese Weise rechtfertigte Cassius seine Taten. Er erfüllte seine winzige Aufgabe im Plan der Götter und darauf war er durchaus stolz.

Doch als er die heutigen Todeskandidaten sah, zuckte er zusammen. Einer war besonders schlimm zugerichtet. Da haben sich die Folterknechte wieder ausgetobt. Ein Mann stand vor ihm, vor Schmerzen gekrümmt. Seine Haut hing in Fetzen vom Fleisch herab. Sein Gesicht war von den vielen Schlägen ganz angeschwollen. Doch Cassius konnte durch die Schwellungen hindurch noch erkennen, dass dieser Mann eigentlich ansehnlich, schön und von großer Gestalt war. Als er mit dem Verurteilten Blickkontakt aufnahm und in seinen Augen nichts als Barmherzigkeit sah und nicht, wie er es gewöhnt war, Hass oder Verachtung gegenüber den Peinigern, war Cassius so verlegen und beschämt, dass er seinen Blick abwandte.

Dem zum Tode Verurteilten wurde das Kreuz auf die Schultern gelegt. Es war so schwer dass er sofort unter der Last zusammenbrach. Cassius fühlte es regelrecht selbst, wie diesen leidenden Mann die Kräfte verließen. Er rief einen Judäer zu sich und bat ihn, dem Verurteilten beim Kreuztragen zu helfen. Aus Mitgefühl versuchte er, die anderen Soldaten zu beschwichtigen, damit sie ihn wenigstens nicht schlügen. Als sie schließlich an der Kreuzigungsstätte ankamen und ihm die anderen Soldaten seine Kleider wegnahmen, bat Cassius sie, doch wenigstens die Lenden des Verbrechers mit einem Tuch zu bedecken.

Cassius hatte schon bei vielen Kreuzigungen adjustiert. Aber so grausam waren die Soldaten selten gewesen. Diesen Mann nagelten sie sogar an sein Kreuz. Als das Kreuz endlich aufrecht stand und körperliche Peinigungen dadurch nicht mehr möglich waren, atmete Cassius kurz auf. Nicht mehr lange und er ist erlöst, dachte er. Plötzlich brach eine bedrohliche, unnatürliche  Dunkelheit herein – mitten am Tag. Es wurde kalt und viele der Schaulustigen gingen weg. Bis auf die Soldaten und die Angehörigen dieses Juden waren kaum noch Menschen da. Cassius erzitterte vor diesem Menschen, ans Kreuz gefesselt und von den Menschen geschlagen und dennoch machtvoll erhoben und auf alle herabblickend. Da begann die Erde zu beben und ein Spalt tat sich auf. Cassius stürzte zu Boden. Er sah auf zum Kreuz und sah nur noch zwei Personen daneben stehen. Eine Jüdin, wahrscheinlich die Mutter des Gekreuzigten und ein junger Mann in seinem Alter. Er ging näher zum Kreuz und sah, dass dort nur noch ein lebloser Körper hing. Auf Befehl des Hauptmannes stieß Cassius zögerlich seine Lanze in die rechte Seite des Gekreuzigten. Aus der tiefen Wunde flossen ihm Blut und Wasser entgegen. Tief in seinem Innersten spürte er, dass er in diesem Moment mit übermenschlichem Heil überströmt wurde. Cassius fiel auf die Knie, schlug sich auf die Brust und bekannte laut, dass dieser Mensch der Christus ist.

Seine Augen wurden durch das Wasser aus Jesu Seite reingewaschen, so dass er im Gekreuzigten Gottes Sohn erkennen konnte. Sein Mund wurde mit Christi Blut benetzt – die erste Heilige Kommunion nach dem Letzten Abendmahl. Cassius bekehrte sich und folgte Jesus, dem Christus, nach.

HERR JESUS

du hast deinen frommen Diener, einen Soldaten, der für deinen Tod verantwortlich ist, dein Herz für uns öffnen lassen. Jetzt liegt es an uns, die Herzen der Menschen zu öffnen. Sende uns dazu deinen Beistand, den Heiligen Geist, er möge uns führen und leiten damit wir deinen Tod und deine Auferstehung in rechter Weise bekennen.

Die Juvi-Geschichte vom 9. Jänner 2015 (Fr. Georg Maria)

Julia trottete durch die Straßen ihres kleinen Heimatortes. In dem kleinen verschlafenen Dörfchen waren heute mehr Menschen unterwegs als gewöhnlich. Julia ging zügig und blickte zu Boden. Sie konnte die stechenden, ja durchbohrenden Blicke nicht mehr ertragen. Nicht ein Passant schenkte ihr ein freundliches Lächeln. Sie alle stierten bloß verächtlich auf Julias Bauch. Er war schon ziemlich rund und wölbte selbst den dicken Wintermantel.

Julia war schwanger. Das fiel natürlich auf. Besonders in einem so kleinen Dorf.

Julia war die einzige, die sich für das Kind entschieden hatte – und seit diesem Moment lief vieles in ihrem Leben schief.

Ihre Eltern wollten sie bis zuletzt zu einer Abtreibung drängen, denn sie waren nicht gerade wohlhabend. „Das können wir uns nicht leisten, wir haben ja nicht einmal genug Geld für dich und deine Geschwister, geschweige denn für so einen Geldschlucker.“ Julia war entsetzt. Wie konnten ihre Eltern nur so gefühllos von ihrem Baby sprechen? Es ist doch ein menschliches Wesen! Mit Ärmchen und Beinchen und einem winzigen Herz, das schon schlägt!

Ihr Freund, nun ja Freund konnte man ihn nicht nennen, es war der One-Night-Stand von dem Abend an dem sie zu viel getrunken hatte, fühlte sich jetzt für die Beseitigung dieses „Fehlers“ verantwortlich und hatte sie ständig dazu gedrängt, endlich in die Klinik zu gehen. Doch Julias Entscheidung war längst gefällt. Der Gedanke daran, dass ihr Kind nun ohne einen Vater, der es liebend in den Arm nimmt, aufwachsen wird müssen, machte sie todunglücklich.

In Gedanken verloren stieß sie mit einer Frau zusammen. Als sie aufgeschreckt in ihr Gesicht blickte, fiel Julia auf, dass irgendetwas an ihr anders war als bei all den anderen Leuten, denen sie auf der Straße begegnet war. Die junge Frau entschuldigte sich mehrmals bei ihr und fragte behutsam, ob sie etwas für sie tun könne. Julia lehnte dankend ab und ging verwundert weiter. Nach ein paar Schritten hielt sie an. Na klar, das war es! Julia hatte schon so lange niemanden lächeln gesehen, dass es ihr ganz fremd erschien wie sie die Frau von gerade eben anschaute. Sie drehte sich um und ging ihr schnell hinterher.

Sie sah sie gerade noch im Kirchentor verschwinden. Als sie ein paar Sekunden später vor dem Eingang stand, zögerte sie, hineinzugehen. Früher war Julia Ministrantin gewesen, eine sehr fleißige sogar, aber mit der Zeit wurde es ihr langweilig und sie ging nur noch an Weihnachten und Ostern in die Kirche. Zögerlich stieg sie die ersten Stufen zum Kirchenportal und trat schließlich ein. Die junge Frau war nicht mehr zu sehen. Julia ließ ihren Blick durch das Gotteshaus schweifen und entdeckte die Krippe. „Komisch – Weihnachten ist doch schon längst vorbei, wir haben schon Mitte Jänner“, dachte sie. Sie kniete vor der Krippe nieder, wie sie es noch aus ihren Ministrantentagen kannte und verharrte in dieser Position einige Minuten. Sie betrachtete lange jede einzelne Statue. „Hm… Wie es wohl der Muttergottes ergangen ist? Die war ja noch jünger als ich, als sie das Jesuskind geboren hat. Und damals, da waren die Leute bestimmt noch viel prüder als heute“, dachte sie. Jemand kniete sich neben sie hin. Es war die junge Dame von vorhin. Leise summte sie vor sich hin. Julia war die Melodie sofort so vertraut, dass sie beinahe mitgesummt hätte. „Maria durch ein Dornwald ging“ – ja klar. Julia hörte der Frau weiterhin zu und betrachtete die Muttergottes. Ja, das ist wirklich ein Dornenwald, durch den man als junges schwangeres Mädchen gehen muss … diese strafenden Blicke, dieses beleidigende Geflüster – das waren wirklich Dornen, die Julia Wunden in die Seele rissen.

„Wie hast du das nur ausgehalten?“, fragte sie innerlich die Muttergottes. Sie schaute auf das Jesuskind, das ganz ärmlich in der Krippe lag und trotzdem eine solche Freude ausstrahlte. „Du machst eigentlich alle Gründe zunichte, warum man sein Kind nicht zur Welt bringen sollte“, dachte Julia. „Es gibt wohl kaum widrigere Verhältnisse als die, in die Du hineingeboren wurdest. Du bist in einem Stall geboren – eine Stätte, die kaum eines Tieres würdig ist, hast Du, lieber Gott, Dir als Geburtsort ausgesucht.  Deine Eltern hatten nicht einmal Kleider für dich!“

Zum ersten Mal seit Beginn ihrer Schwangerschaft fühlte sich Julia nicht mehr mit ihrem Kind allein gelassen. Ihr wurde bewusst, dass sie ihr Schicksal mit niemand anderem als der Gottesmutter selbst teilte. Und mit einem Mal wich das erniedrigende Gefühl der Schande in ihr einer übergroßen Freude darüber, das Wirken Gottes an ihrem eigenen Leib erfahren zu dürfen und selbst Trägerin des Wunders des Lebens zu sein.

HERR JESUS,

Wir bitten dich,
zeige uns die Freude,
die deine Ankunft hier auf Erden verdient
und lass uns beständig in dieser Freude wachsen,
damit wir dich in angemessener Weise begrüßen können,
wenn du wiederkommst.

AMEN.

Die Juvi-Geschichte vom 5. Dezember 2014 (Fr. Isaak Maria)

Felix steht mitten auf der Tanzfläche während der DJ gerade von einem Lied zum nächsten wechselt. Er fühlt sich im Moment ein wenig wie ein Alien hier auf dem Klassentreffen seines Abschlussjahrgangs.

“Jahrgang der LEGENDEN” hatten sie sich damals selbst getauft. Während er schmunzelt laufen die Bilder seines Kopfkinos weiter.
Viel hat sich seit damals – vor zwei Jahren – geändert. Als er so darüber nachdenkt, laufen ihm die Bilder der Maturafahrt und des Abschlussballs und all der Feiern durch den Kopf. Danach hatte er ein soziales Jahr im Ausland angetreten. Felix kam bei diesem Auslandsaufenthalt – 12.000 km von Zuhause entfernt – erstmal richtig zum Nachdenken. Fern von allen Freunden und dem Mainstream konnte er mal richtig ER SELBST sein.

Aber vor allem war er in dieser Zeit GOTT begegnet. Er hatte den kennengelernt, der im Psalm spricht: „ICH gebe EUCH mehr FREUDE ins Herz als andere haben bei Korn und Wein in Fülle“. Damals hatte er “Korn und Wein” durchgestrichen und “Vodka und Big Mac” darübergeschrieben. Er musste lachen. Erst jetzt bemerkte er, dass er ja mitten auf der
Tanzfläche stand. Er schaute sich ein wenig unsicher um. Da stand auf einmal Debora neben ihm. Kurz erschrak er, denn sie musste schon einige Zeit dort gestanden haben, während er in Gedanken versunken war.

Debora – sie war eine gute Freundin von ihm gewesen, nicht mehr – hat in Deutsch neben ihm gesessen. Alle nannten sie Debo.
„Hey Felix, lang nicht mehr gesehn und doch gleich wieder erkannt“, ruft sie ihm entgegen. Felix versuchte sie über die Musik hinweg zu verstehen. Sie kamen ins Gespräch. Naja, eigentlich war es eher small-talk: ein paar Witzchen – sie hatten ja den selben Humor. Es lief eigentlich alles so wie damals in den Deutschstunden, als der Lehrer schier an dem Gemurmel in der letzten Reihe verzweifelte.

Felix aber merkte wie SEICHT das alles war – das GEREDE und GESPÖTT über andere und das Neueste. „Und Felix, was machst DU jetzt so? Studierst Du?“ fragte sie.

Für ein paar Sekunden hatte er einen Kloß im Hals. Dann, irgendwie ohne sein Zutun, brachte er doch die Antwort heraus:
„Ähm ja, ich studiere Theologie um, naja, um Priester zu werden.“ Kurze Stille. Es war diese ekelhafte Stille, die sich anfühlt wie Minuten, ja vielleicht wie Stunden. Es war dieses Gefühl zwischen Magen und Eingeweiden, dass er kannte, aber für das ihm das Wort – Menschenfurcht – im Moment nicht einfiel. Dieses GEFÜHL schien die GANZE Wirklichkeit wegzuwischen. Er wusste, dass es VERNÜNFTIG ist an Gott zu glauben, wusste dass
Gott WIRKLICHKEIT ist, dass Er eben KEINE EINBILDUNG ist, auch weil er ihn erfahren durfte. Aber all das musste in diesem Moment diesem EINEN GEDANKEN weichen, dass es komisch ist, so etwas seiner Mitschülerin zu erzählen. Was wird sie denken?

Sie aber schaut ihn an und beginnt zu erzählen. Die zwei unterhalten sich lange – sehr lange – und ja – wirklich über Gott und die Welt. Debo schloss irgendwann mit dem Satz: „Danke, ich hab immer – echt immer gedacht- es ist uncool, über den Glauben zu reden. Aber Hut ab, Respekt was du da machst!“

Mit einem Lächeln auf den Lippen verließen sie einander. Kann es wirklich sein, dass sie sich gerade erst kennen gelernt hatten, obwohl sie Jahre zusammen in der Schule waren? Mit einem tiefen Lachen auf den Lippen verließ Felix das Lokal und starrte in den Himmel. Es war nicht die ausgelassene Partystimmung, die er in sich trug, diese Unruhe nach mehr.

Er lachte in sich hinein und freute sich über einen Ohrwurm. Einen Ohrwurm, der nicht in den Charts lief. Ein Ohrwurm, der von nun an sein ganzes Leben bestimmte:
„DU GOTT legst mir mehr FREUDE ins Herz als andere haben bei Wodka und Big Mac in Fülle.“

HERR JESUS!
Schenk uns diese Freude! Nimm von uns den Ballast der Menschenfurcht, den wir mit uns herumschleppen.
Mach DU uns FREI.
Dass wir zu DIR stehen, weil DU WIRKLICHKEIT BIST!
Maria – Mutter der Freude – bitte für uns!

Die Juvi-Geschichte vom 7. November 2014 (Fr. Konrad)

Verschwitzt vom ausgelassenen Tanzen und vom Alkohol angeheitert stand Markus ein wenig fröstelnd vor der Diskothek. Es war ungewöhnlich warm für die Jahreszeit und die Nacht war schon fortgeschritten. Es würde einige Zeit benötigen bis die kalte Luft, die seine Lungen füllte, sein Gemüt abkühlte.

Endlich Wochenende! Er zündete sich eine Zigarette an. Dumpf und dunkel drang der Bass durch die sich immer wieder öffnende, von der Feuchtigkeit beschlagene Eingangstür. Gelegentlich schaute Markus den Mädels hinterher, wenn diese kamen oder gerade gingen. Sowie jemand kam, der ihm gut gefiel zwinkerte er. Manchmal lächelten ihm die Damen zurück und er fühlte sich umso männlicher. Dann spannte er seine Muskeln und Markus wurde einige Zentimeter größer. Wie ein Strom des puren Lebens schien diese Nacht durch seine Adern zu rauschen.

Vielleicht klappte es heute und er fände endlich eine Freundin. Anders als die meisten seiner ehemaligen Schulkollegen hatte Markus noch nie eine Freundin gehabt. Aber das würde sich schon bald ändern! Er wollte auch endlich mitreden wollen. Aber das war nicht alles, wonach er sich sehnte. In einer Vorahnung spürte er den in ihm aufsteigenden Konflikt und schob in rasch beiseite. Stattdessen konzentrierte er sich auf seine Arbeit. Am Sonntagabend musste er wieder zurück. Das hieß zurück in die Kaserne.

Markus war Soldat, schon fast ein Jahr lang und er war es gerne. Viele seiner Freunde und Verwandten hatten es nicht verstanden, dass er sich freiwillig gemeldet hatte. Viele hatten geglaubt, dass er einen ganz anderen Weg einschlagen würde: Theologie Studieren und dann Priester werden. Immerhin war er jahrelang Messdiener in seiner Pfarrei gewesen und es hatte ihn auch viel Spaß gemacht. Aber jetzt nach der Matura und dem Einzug in das Heer wusste es Markus besser. Er mochte viel lieber den Drill und die Disziplin des Militärs. Von seinen Kameraden und Vorgesetzten wurde er respektiert. Außerdem lockte ihn das Abenteuer, das Adrenalin. Gefahren ausgesetzt zu sein und diese meistern, während die meisten seiner ehemaligen Schulkollegen einer langweiligen Tätigkeit nachgingen. Fast schon herablassend besah er die umherstehen Jungs. Kaum der Kindheit erwachsene Milchgesichter mit Pickel. Innerlich lachte er. So einer war er auch einmal gewesen. Vor fast zwei Jahren. Damals noch mit einigen Kilos mehr und von den anderen seiner Klasse kaum beachtet. Das war jetzt alles anders!

Nach einem letzten Zug an der Zigarette schnippte er den Stummel gekonnt weg. Dann machte sich Markus auf den Weg in ein anderes Nachtlokal. Mit geschwollener Brust und breiten Schritt ging er an den Besuchern vorbei und stolzierte in Richtung Friedhof. Der Friedhof der Stadt war direkt gegenüber der Diskothek und von einer hohen Mauer umgeben. Wenn man es nicht wusste, konnte man durchaus meinen, dahinter befände sich ein Park oder ähnliches.

Gut gelaunt schritt Markus an der Mauer entlang. Um zu seinem Ziel zu gelangen, hätte er die Hälfte des Friedhofes umschreiten müssen. Das dauerte ihm zu lange. Er war schließlich ein Mann und keine Memme. Folglich bog er um die nächste Ecke in den Friedhof ein, um seinen Weg abzukürzen.

Kaum auf dem Gelände der letzten Ruhe, erschrak Markus. Auf beinahe jedem Grabstein leuchtete eine Kerze. Was war denn hier los? Na klar, Allerheiligen oder Allerseelen oder so etwas. Es war ja schon November. Allerseelen, hm. Seelen… Markus hing seinen Gedanken nach. Ohne es direkt bemerkt zu haben, hat die Lichterflut auf den Gräbern etwas in ihm angestoßen, was sich erneut in sein Bewusstsein drängte: die Frage des Priestertums, Seelsorger, Seelen zu Gott zu führen. „Nein, nein und nochmals nein, weil als Priester kann man keine Frau haben. Natürlich hatte ich das eine Zeitlang überlegt, aber das ist jetzt vorbei! Endgültig vor…!“

Markus fiel über ein Grab. Er fluchte. Er war so in Gedanken gewesen, dass er vom Weg abgekommen auf ein Grab zugesteuert war, auf dem keine Kerze brannte. Er rappelte sich hoch und klopfte sich ab. Markus wollte schon weitergehen als das Interesse in ihm aufstieg, wissen zu wollen, wer es denn war, über dessen Grab er gestolpert war.

Schnell griff er nach dem nächstgelegenem Grablicht mit einem kichernden „Entschuldigung, darf ich mal?“, und leuchtete damit auf die Grabinschrift. Er erstarrte für einige Sekunden als er Geburts- und Sterbejahr las.

Geboren 1994 Gestorben 2014. Nur zwanzig Jahre. Nun entdeckte er auch das Bild eines hübschen blonden Mädchens. Sie lächelte ihn an. Markus konnte nicht lächeln. Sie hätte eben auch dort noch in der Diskothek sein können, dachte er bestürzt. Sogleich stellte er das Grablicht an seinen Platz zurück und blieb stumm stehen. Er versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Doch es gelang ihm nicht. Alles, wovon er geglaubt hatte, es würde ihn halten – das Militär, sein trainierter Körper – bröckelte. Es zerfiel erst langsam, dann immer mehr. Alles stürzte in sich zusammen und alleine die Frage des Priestertums blieb übrig. „Will ich Priester werden?“ Noch konnte er diese Frage nicht beantworten.

Markus wusste die Antwort, doch noch war die Zeit nicht gekommen. Müde wendete er sich ab und ging langsam nach Hause.

Für heute konnte er nicht mehr. Endlich zuhause angekommen fand er die Worte, die er immer mit seiner Mutter am Grab der Großeltern gebetet hatte: „Im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des Heiligen Geistes. Für die verlassenen armen Seelen im Fegefeuer. Vater unser. Gegrüßet seist du Maria. Der Herr gebe den Seelen der Verstorbenen die Ewige Ruhe. – und das ewige Licht leuchte ihnen. Herr lass sie ruhen in Frieden.“

Die Juvi-Geschichte vom 3. Oktober 2014

Giovanni liebte sein Leben. Er konnte alles haben, was er wollte. Giovannis Vater war ein bekannter Modedesigner. Dementsprechend reich war auch seine Familie. Egal, was Giovanni begehrte, sein Vater besorgte es ihm.

In seiner Nachbarschaft rief er dadurch viel Neid hervor. Denn obwohl er auch seinen Freunden Geschenke machen hätte können, tat er es nicht. Er behielt alles für sich. So kam es ab und zu zu Streitigkeiten zwischen ihm und seinen Nachbarn. Und nicht selten endeten diese auch in Handgreiflichkeiten.

Eines Tages – seine Eltern waren gerade verreist – war es so schlimm, dass die Polizei kommen musste, Giovanni mitnahm und ihn kurzerhand ins Gefängnis steckte, denn er hatte seinen Gegner ernsthaft verletzt. Weil niemand da war, der ihm die Kaution zahlte, blieb er dort einige Tage und die schlechte Behandlung im Gefängnis machte ihn krank. Er bekam starkes Fieber, konnte nicht essen und schlafen und hatte sogar den Tod vor Augen. In dieser Zeit dachte er viel nach. Über Gott und die Welt, wobei er regelrecht in eine Lebenskrise fiel.

War das wirklich alles, Frauen und Geld? Bestand darin der Sinn seines Lebens?

Giovanni war zwar getauft, der Glauben bedeutete ihm aber nichts. „Was soll ich mit Gott?“, fragte er einmal seine Großmutter, die sehr fromm war und ihn anhielt, doch wenigstens zu Ostern in die Kirche zu gehen. „Schau!“ Er zeigte ihr einen 5 Euro Schein. Das hier ist mein Gott, der erfüllt mir all meine Wünsche und den kann man wenigstens angreifen und in die Tasche passt er auch!

Doch jetzt im Gefängnis merkte er, dass Geld nicht allmächtig war. Das Geld war für ihn  unerreichbar, lag zu Hause während er in der feuchten Gefängniszelle hockte und sich für sein Leben bemitleidete.

Nachdem Giovannis Eltern wiedergekommen waren, zahlten sie die Kaution, er kam frei und erholte sich schnell von seinem Gefängnisaufenthalt. Die Suche nach den Antworten auf seine Fragen im Gefängnis hatte er aber nicht aufgegeben.

Als Giovanni eines Tages bei einem alten, zerfallenen Haus vorbeikam, drängte ihn  etwas in seinem Inneren hineinzugehen. Die Tür war nicht versperrt und so öffnete er sie zögerlich. Im hinteren Bereich des Raumes konnte er zwei große, dunkle Balken ausmachen – einer senkrecht und einer waagrecht. Er ging näher, denn er wollte sehen, was das war. Da stieß er gegen einen harten Gegenstand. Er fluchte laut und sein Geschrei hallte in dem großen Raum wider. Giovanni setzte sich mit seiner Armani Jeans auf den verstaubten Fußboden und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Schließlich erkannte er ein Kreuz. Er konnte sogar die aufgemalte Christusikone sehen. Und den Altar, gegen den er gestoßen war. Giovanni war also in einer Kirche. Wie lange war es wohl her, dass er das letzte Mal in einer Kirche war? Er schaute wieder auf das Kreuz.  War dieser Jesus, der da am Kreuz hing wirklich Gott?

Fand er vielleicht doch im Glauben eine Antwort? Er blieb noch lange sitzen und betrachtete das Kreuz. Beim Verlassen des verfallenden Kirchleins klopfte er sich nicht einmal den Staub von seiner Designer-Hose.

Da Giovanni, allein sein wollte, kam er in der Zeit danach noch öfters in die verfallene Kirche und begann sogar sie wieder herzurichten. Er versuchte sie vom Staub zu befreien, die Fenster zu putzen, damit wieder etwas Licht hereinkam und säuberte den Boden vom abgebröckelten Putz. Jetzt erkannte er die volle Pracht der Kirche. Und im selben Augenblick wusste er, dass seine Aufgabe hiermit noch nicht getan war. Durch die Arbeit an der Kirche merkte er, dass er vielleicht den Ort der Antworten auf seine Fragen gefunden hatte. Giovanni war nämlich bei seiner Arbeit und bei seinem Nachsinnen über Gott glücklich – ganz ohne Geld… Er begann sogar die Bibel zu lesen, und stolperte dabei immer wieder über den Satz: „Folge mir nach!“.

Ja, er wollte Jesus nachfolgen, aber wie?
Und wo ist Christus überhaupt?

Mittlerweile ist die Bibel zu seiner einzigen Lektüre geworden. Als er im Matthäusevangelium Kapitel 25 las: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“, wusste er: Das ist es!

Giovanni ging ins Altenheim besuchte wildfremde Leute, redete mit ihnen, lachte mit ihnen und war manchmal auch als Einziger bei ihrer Sterbestunde dabei.

Er ging zu den Armen der Stadt, den Bettlern und Obdachlosen, gab ihnen Decken und Billasackerl mit warmen Leberkässemmeln.

Giovanni fragte sie, ob sie mit ihm kommen möchten, nahm sie bei sich zu Hause auf, ließ sie sogar in seinem Bett schlafen. Er bereitete ihnen ein Frühstück zu und gab ihnen ein paar Jeans und T-Shirts mit, die er nicht mehr brauchte – ein paar Kleidungsstücke weniger fielen in seinem übervollen Kleiderschrank ohnehin nicht auf.

Mittlerweile machten sich seine Eltern und sein Bekanntenkreis große Sorgen um Giovanni.

Seine Eltern wollten ihm verbieten, Unbekannte in ihr Haus zu lassen, doch Giovanni ließ nicht locker. Immer wieder kamen arme Leute zu Giovanni nach Hause und erhielten eine warme Mahlzeit. Er hörte aufmerksam zu, als diese ihre Lebensgeschichten erzählten und überredete seinen Vater oft dazu, diese armen Kerle in seiner Firma anzustellen.

Giovanni selbst wurde sehr genügsam und demütig. Er schlief auf dem Boden, war auch mit einem trockenen Brot als Mittagessen zufrieden und zog nur einfachste Kleidung an.

Giovanni war von seiner Arbeit so überzeugt und steckte so viel Liebe hinein, dass er auch einige Freunde begeisterte, die nun genauso wie er den Armen und Kranken der Stadt halfen. Und einige der armen Männer, die er zu Hause gepflegt hatte, taten es ihnen gleich und folgten Giovanni und seinen Freunden nach. Doch niemand steckte in seine Arbeit so viel Herzblut wie Giovanni.

Giovanni starb. Schon vor langer Zeit. Und eigentlich hieß er nicht Giovanni sondern Franz. Genauer: Franziskus. Morgen feiern wir sein Fest.

Herr Jesus!

Wir bitten dich, zeige uns, wie wir auch heute noch ein heiligmäßiges Leben führen können. Gib uns die Gnade, dass wir alles, was uns daran hindert, zu dir zu kommen, aufgeben können und hilf uns, in all unseren Mitmenschen dich, Christus, zu sehen. Amen.

Die Jugendvigilgeschichte vom 5. September 2014

Tobias hätte sich das vor drei Monaten selbst noch nicht vorstellen können, was die letzten Wochen passiert war. Doch er war sich sicher, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Seine Eltern waren, ebenso wie seine Freunde und Kollegen, sehr überrascht und wussten nicht so recht mit der neuen Situation umzugehen. Es würde bestimmt noch eine Weile dauern, bis alle diesen Schritt nachvollziehen konnten. „Ich will ja niemanden enttäuschen“, dachte sich Tobias, während er die letzten Klamotten in den Umzugskarton packte und diesen verschloss.

Tobias war 25 Jahre alt und hatte einige Jahre in einem Grafik- und TV-Studio gearbeitet, das Werbespots für verschiedene Unternehmen produzierte. Er war die rechte Hand des Produzenten und hatte mit dem, was er tat, viel Erfolg. Er stand seinem Chef immer beratend zur Seite und konnte auch viel von ihm lernen. Tobias hatte aber in dem Produzenten mehr als nur einen Vorgesetzten. Beide waren wirklich gut befreundet und Tobias konnte sich immer auf ihn verlassen, wenn er einmal Hilfe oder einen guten Rat benötigte.

Auch Michael, seinen Chef, traf die Entscheidung von Tobias hart. Beide sprachen seit Bekanntwerden von Tobias´ Schritt wenig miteinander. Nicht, weil Michael nun Tobias nicht mehr so schätzte, sondern eher, weil er nicht wusste, was er sagen sollte.

Vor einigen Wochen war es, als Tobias wohl eher zufällig an einer Kirche vorbeikam. Es war abends gegen 22 Uhr. Durch die Kirchenfenster schimmerte ein schummriges Licht und Gesang war zu hören. Als er um die Ecke bog und sich das Hauptportal vor ihm aufbaute, wusste er, was los war – es war Nachtanbetung. Er blieb einen Augenblick stehen und schaute durch das geöffnete Portal in die Kirche hinein. Jugendliche, die vor dem Portal standen, baten ihn herzlich, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen, einfach hineinzugehen und zu verweilen. Tobias war etwas unsicher, doch schon hielt eine Jugendliche ihm ein Teelicht unter die Nase und meinte, er könne, wenn er mag, das Licht ganz vorn am Altar bei der Monstranz entzünden und seine Bitten und Sorgen dort beim Herrn lassen.

Zögernd nahm Tobias das Licht und ging langsam in die Kirche hinein. Er machte unsicher eine Kniebeuge und verharrte hinter der letzten Bank, um nicht aufzufallen. Er blickte in der Kirche umher und bemerkte erst jetzt, dass die Kirche, die sicher bis zu 400 Menschen fassen konnte, fast bis auf den letzten Platz besetzt war. Die Kirche war abgedunkelt und nur einige Scheinwerfer erleuchteten den Altarraum in verschiedenen warmen Farben. Der Geruch von Weihrauch umgab ihn und die Band spielte leise Anbetungs- und Lobpreislieder. Es gab viele Beichtgelegenheiten und die Menschen nahmen diesen Dienst rege in Anspruch. Tobias selbst war schon lange nicht mehr beichten oder bei einer Anbetung gewesen. „Das war wohl als Ministrant damals“, dachte er sich und setzte sich vorsichtig in eine der hinteren Bänke. Zuerst fühlte er sich unwohl und beobachtet, doch mit der Zeit merkte er, dass alle ihren Blick nach vorn auf den Altar gerichtet hatten, nach vorn zum Herrn in der Monstranz.

Tobias nahm sich ein Textheft und vorsichtig, ja kaum hörbar, versuchte er die Anbetungslieder mitzusingen. Die Songs mit ihrer Melodie und den Texten waren relativ schnell zu lernen, sodass er schon beim dritten Lied immer kräftiger mitsang. Langsam begann Tobias zu lächeln und er merkte, wie er immer entspannter wurde. Die Lieder, die von Dank und Liebe, von Barmherzigkeit und Trost sprachen, ließen ihn den Alltag vergessen. Er schloss die Augen. Immer bewusster nahm er den Gesang wahr, der durch den Kirchenraum auf wunderbare Weise verstärkt wurde und ihn richtig mitriss. Auch der Duft des Weihrauchs, mit dem der Priester immer wieder die Monstranz beweihräucherte, und das warme Licht trugen dazu bei, dass Tobias diesen Moment genießen konnte.

Die Monstranz war erleuchtet und strahlte bis in den letzten Winkel der Kirche. Und nicht nur der Herr strahlte – auch Tobias begann zu strahlen. Tränen stiegen ihm in die Augen und er fühlte sich sehr geborgen. Es überwältigte ihn einfach und sein Gesicht sank in seine Hände. Er begann zu weinen und zu beten. Still flossen all seine Gedanken und Sorgen nach vorn zum Herrn. Er wusste: Er konnte dem Herrn jetzt alles anvertrauen; alles, was ihn in letzter Zeit beschäftigt und Kopfzerbrechen bereitet hatte. Als er dann langsam die Augen öffnete, sah er das Teelicht vor ihm auf der Ablage stehen. Tobias schaute nach vorne und sah, dass immer wieder Menschen zum Altar gingen, sich hinknieten und das kleine Licht entzündeten. Er verspürte einen immer stärker werdenden Drang, auch sein kleines Licht vorn unterhalb der Monstranz zu entzünden. So stand er auf und ging, den Blick auf die Monstranz gerichtet, Jesus entgegen. In dem Moment, als er an den Altarstufen ankam, war er mit dem Herrn allein. Er konnte sich direkt vor IHN hinknien und IHN anschauen. Das Licht der Kerzen und die Wärme, die von ihnen ausging, brachten Tobias noch mehr zum Strahlen. Er entzündete das Teelicht und stellte es zu den anderen Lichtern. „Das müssen ja Hunderte sein“, dachte er sich, während sich sein Blick wieder der Monstranz zuwendete. Noch einige Momente verharrte Tobias vor dem Herrn und blickte IHN an. Er spürte, wie auch der Herr ihn anblickte und ihn mit seinem Strahlen durchdrang.

Als er sich erhob, um zu seinem Platz zurückzugehen, rollten ihm Tränen über die Wangen. In der Bank angekommen, sank sein Kopf wieder in die Hände. Er fühlte sich gelöst und befreit. „Danke, Jesus“, sagte er halblaut immer wieder vor sich hin. „Danke …  danke …“ Nach dieser Nacht fühlte sich Tobias bestärkt. Denn er hatte einen großen Schritt vor sich. Was keiner seiner Freunde und Kollegen wusste: Er wollte weggehen. Weggehen aus der Stadt und aus seinem Umfeld, was ihm sichtlich schwerfiel. Doch nach der Anbetungsnacht wusste er, dass dieser Schritt der richtige war. Er wusste, er würde einige Menschen nicht mehr wiedersehen, aber auch neue Freunde gewinnen.

So kam der Tag, an dem er sein Vorhaben öffentlich machte. Zuerst sagte er es seinen Freunden und seiner Familie, dann seinem Produzenten und seinen Arbeitskollegen. Doch zu seinem Erstaunen lobten ihn viele für seinen mutigen Schritt und versprachen, ihm auch weiterhin die Freundschaft zu halten.

Tobias hätte nicht damit gerechnet, dass so viele seiner Freunde und Kollegen ihn unterstützten und ihm gut zusprachen. Doch über eines war er sich im Klaren: Den Mut und die Kraft hätte er nicht gehabt, wäre er damals nicht in die Kirche gegangen, als der Herr ihn in sein Haus gerufen hatte, um bei ihm zu verweilen und ihm all seine Sorgen anzuvertrauen. Und so konnte Tobias im Herzen immer wieder nur zwei Worte wiederholen: „DANKE, JESUS!“.

HERR JESUS,

du stehst immer an unserer Seite – egal, was kommen mag. Schenke uns ein Herz, das dich immer tiefer erkennt und lass uns zu Boten und Zeugen deiner Liebe und Barmherzigkeit werden.

AMEN.

Die Geschichte vom 1. August 2014

Der Regen prasselte, wie vielen Trommeln gleich, die ohne Rhythmusgefühl erklangen, auf das Dach des Autos. Die Scheinwerfer des Wagens strahlten in die Dunkelheit der Nacht. Die Scheibenwischer zogen monoton ihre Bahn über die Windschutzscheibe und Markus rieb sich die Augen. Er war einige Zeit eingeschlafen. Die Uhr seines Wagens zeigte 2.47 Uhr an. Langsam richtete er sich auf, streckte und reckte sich, um ein wenig den Schlaf aus den Gliedern zu drücken. Erst jetzt bemerkte er, warum er aufgewacht war. In den Rückspiegel blickend sah er das Flackern des Blaulichtes und neben ihm realisierte er den Polizisten, der mit einer Taschenlampe in den Wagen leuchtete und ihn mit dem Klopfen gegen die Scheibe aufgeweckt hatte. Er muss wohl richtig schnell eingeschlafen sein, da er den Wagen nicht einmal richtig geparkt hatte, dachte sich Markus, als er den Autositz wieder in eine gerade Position brachte. Er ließ das Fenster herunter und der Officer leuchtete Markus mit der Taschenlampe voll ins Gesicht. „You had some alcohol or drugs?“, fragte der Officer. „No, I was just tired and I fell asleep very fast. Sorry, Officer.“ Mit schläfriger Miene reichte Markus dem Polizisten den Führerschein und die Papiere des Wagens. Während der Polizist zurück zu seinem Fahrzeug ging, um die Papiere zu überprüfen, dachte sich Markus, sein Handy suchend: „Wenigstens hab ich es auf den Parkplatz geschafft und bin nicht während der Fahrt eingeschlafen!“

Der Officer trat nochmals ans Auto und reichte ihm die Papiere zurück. „Everything is ok. If you need more sleep, there is a motel just a few minutes away on the highway.“ Mit einem Lächeln wünschte er Markus noch eine gute Nacht und fuhr wieder weiter. „Puh“, sagte sich Markus, „da hab ich ja nochmal Glück gehabt.“

Markus war gerade erst in die USA gezogen. Was in den letzten Wochen alles passiert war, hätte er sich nie träumen lassen. Er studierte bis vor Kurzem noch Unternehmensmanagement an einer kleinen Uni in Österreich, hatte einen Kellnerjob, um sich das Studium zu finanzieren, und teilte sich eine kleine Studentenwohnung mit einem Kommilitonen. Dass er gerade einmal vor einem Monat seinen Abschluss gemacht hatte, konnte er noch gar nicht glauben. Er investierte viel Zeit in sein Studium und der Aufwand hatte sich ausgezahlt. Er war ein sehr erfolgreicher Student mit guten Leistungen. Einige Unternehmen hatten Interesse gezeigt und ihm eine erste Leitungsposition angeboten. Doch dass er dafür in die USA gehen werde, damit hatte Markus nicht gerechnet. Seine Pläne sahen eigentlich ganz anders aus. Er wollte gern in einem mittelständischen Unternehmen in Österreich arbeiten, sich eine kleine Wohnung suchen und dann, wenn die Zeit reif war, seine Freundin heiraten und ein beschauliches Leben führen.

Seine Freundin in Österreich zurückzulassen fiel ihm schwer, sehr schwer sogar. Denn sie war seine große Liebe. Seit fast zwei Jahren waren Bianca und er ein Paar und nie hatten beide einen größeren Streit gehabt. Auch bestand zu keinem Zeitpunkt die Gefahr, dass die Beziehung zerbrechen könnte. Es war für beide die große Liebe. Doch die jetzige Situation sollte eindeutig die größte Prüfung und Herausforderung werden. Als er ihr sagte, dass er ein tolles Angebot bekommen hatte und dafür in die USA gehen müsse, musste sie weinen. Sie tat es aber nicht vor Markus, sondern später, als sie allein war. Denn sie wollte nicht, dass er wegen ihr die Stelle vielleicht ablehnen würde. Sie wollte immer, dass er seinen Weg geht und glücklich ist, auch wenn es vielleicht die Trennung bedeuten würde. Doch ihr war nicht wirklich bewusst, dass Markus sich wiederum kein Leben ohne diese tolle Frau an seiner Seite vorstellen konnte. Bianca studierte Englisch und Mathematik, um später als Lehrerin tätig zu sein. Auch sie hatte ihre Träume und Vorstellungen von einer gemeinsamen Zukunft mit Markus, doch diese führten nicht in die USA, sondern eher in ein gemeinsames Heim in der Vorstadt mit Garten, in dem die Kinder spielen konnten. Sie dachte an gemeinsame Spaziergänge in den Sonnenuntergang hinein und romantische Picknicks am See. Bianca hatte Markus immer wieder von diesen Träumen vorgeschwärmt und auch er fand diese Phantasien schön. Doch die Realität schien jetzt beide einzuholen.

Markus schlief die Nacht noch im Auto, um dann früh am Morgen nach Kensingville zu fahren. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, und die ganze Gegend war nun in Frühnebel gehüllt. Es sah aus wie auf einer Postkarte, dachte sich Markus, als er in die kleine Stadt kam. Es war ein kleines Städtchen, doch bot es alles, was man brauchte: Kino, Einkaufszentrum, Sportplatz.

Als Markus vor der angegebenen Adresse, die ihm seine neue Firma gemailt hatte,  stehen blieb, traute er seinen Augen kaum. Rechnete er eigentlich mit einer kleinen Wohnung, die ihm sein Arbeitgeber zur Verfügung stellen würde, so stand er jetzt vor einem solchen Häuschen, von dem seine Freundin immer geträumt hatte. Er betrat das Haus und es schien wie in einem Traum zu sein. Markus´ Firma hatte die Spedition übernommen und so standen seine Kisten schon im Haus. Möbel waren bereits vorhanden und auch der Kühlschrank war bestens aufgefüllt. Eine Terrasse vor und hinter dem Haus und ein schöner Garten ringsherum schienen das Bild perfekt zu machen.

Markus musste sich auf die Couch setzen und erst einmal alles realisieren, was ihm irgendwie nur langsam gelang.

„Perfekt“, dachte sich Markus. „Der perfekte Ort für eine gemeinsame Zukunft mit Bianca. Jetzt muss ich sie nur noch fragen, ob sie sich hier eine gemeinsame Zukunft vorstellen kann.“

Die ersten Wochen, getrennt von Bianca, fielen Markus sehr schwer, doch er hatte einen festen Plan im Kopf. Er wollte seine Freundin in die USA fliegen lassen und ihr hier einen Heiratsantrag machen – in der Hoffnung, dass sie ihn annehmen würde.

Einige Wochen später war es so weit und seine Freundin saß im Flieger in die USA. In der Nähe des Hauses war ein kleiner See – für Markus die perfekte Stelle, seiner großen Liebe einen Antrag zu machen. Lampions hingen in den Ästen, eine Picknickdecke war ausgebreitet, ein Korb mit Sekt und ein paar Snacks standen bereit. Markus war sehr aufgeregt, seine Hände waren ganz feucht und er spürte sein Herz schlagen.

Schon sah er die Limousine, die er extra bestellt hatte, den Feldweg entlangfahren und sein Puls beschleunigte abermals. Er öffnete die Tür des Wagens und reichte seiner Freundin die Hand, die staunend umherschaute und gar nicht wusste, wie ihr geschah. Beide genossen das Wiedersehen und ein wundervolles Picknick, als Markus plötzlich eine ernste Miene bekam und sich aufsetzte. Biancas Puls erhöhte sich schlagartig. Ihre Augen wurden groß und glasig, als sie Markus vor sich auf die Knie sinken sah, während er nach ihrer Hand griff. Markus fand wundervolle Worte, die sich Bianca nicht beser hätte ausdenken können. Und als die entscheidende Frage von Markus kam, zögerte sie keinen Moment und willigte voll Freude ein, ihn zu heiraten. Eines war beiden klar: Dass sie sich nur eine gemeinsame Zukunft vorstellen konnten und sie die anstehenden Herausforderungen gemeinsam bewältigen wollten. Denn wahre Liebe überwindet jegliche Hürden und lässt im Herzen Gewissheit aufkommen, das Richtige zu tun.

Herr Jesus,

was willst du, dass wir tun?
Was willst du, Herr, was wir sind?

Schenke unseren Fragen Antworten und gib unseren Herzen Gewissheit, in den entscheidenden Momenten das Richtige zu tun – denn DEIN Wille geschehe.

AMEN.

Die Juvi-Geschichte vom 4. Juli 2014

Lea rührte, tief in Gedanken versunken, ihren Cappuccino um. So viele Gedanken schwirrten durch ihren Kopf und sie fand keine Antworten. Es war heute wieder ein langer und anstrengender Tag für sie gewesen. Viele Stunden ist sie durch die Straßen der Stadt geirrt auf der Suche nach Antworten, doch lange blieben ihr diese verwehrt. Sollte es sich heute ändern?

Viele Jahre hatte sie sich nicht getraut, diesen Schritt zu wagen und sich auf die Suche zu machen, doch vor drei Monaten war es Lea klar: Sie musste herausfinden, wer ihr Vater ist.

Lea wuchs in einem kleinen Vorort von London mit ihrer Mutter im Haus der Großeltern auf. Ihre Mutter hatte nie geheiratet und versuchte mit ihrem kleinen Gehalt, das sie als Krankenschwester bekam, ihrer Tochter ein unbeschwertes Leben zu bieten – was ihr auch gut gelang. Lea liebte ihre Mutter und ihre Großeltern, bis über deren Tod hinaus. Nie kam ihr in den Sinn, ihre Mutter zu fragen, wer ihr Vater sei. Es war für sie aufgrund ihres behüteten Vorstadtlebens nie von Bedeutung – eher einfach normal, dass sie ihren Vater nicht kannte.

In ihrer Klasse war Lea eine sehr beliebte Schülerin. Sie hatte recht gute Noten und wollte nach dem Schulabschluss endlich auf die Universität gehen, um Jus zu studieren. Doch es sollte alles ganz anders kommen, wie sie es sich erträumt hatte.

Es war ein Mittwoch und Lea saß gerade über einem Buch, als das Telefon läutete. Das Spital, in dem ihre Mutter arbeitete, war am anderen Ende der Leitung. Der Oberarzt der Notaufnahme bat Lea, ins Spital zu kommen, da ihre Mutter auf dem Weg nach Hause von einem Taxi angefahren worden und schwer verletzt worden sei.

Lea sprang sofort auf, schnappte sich die Hausschlüssel und das Handy und lief zur U-Bahn. Tränenüberströmt kam sie in die Notaufnahme gelaufen und fand sofort den behandelnden Oberarzt. Dieser führte Lea an der Hand in ein Krankenzimmer. Schon beim Betreten des Zimmers begann Lea wieder zu weinen. Überall waren Schläuche und Maschinen, die irgendwie versuchten, das Leben ihrer Mutter zu erhalten.

Lea setzte sich zu ihrer Mutter ans Bett und versuchte mit ihr zu sprechen. Viele Stunden verbrachte sie in der Klinik. Stunden zwischen Hoffen und Bangen. Endlich – nach vielen Stunden der Unsicherheit – öffnete ihre Mutter langsam die Augen und versuchte, mit Lea zu sprechen, was ihr deutlich schwerfiel, da sie sehr große Schmerzen hatte. Doch das wenige, was sie ihrer Tochter sagen konnte, war für Lea sehr trostreich. Lea saß die ganze Nacht am Krankenbett. Doch ihre Mutter sollte den Kampf um Leben und Tod noch in dieser Nacht verlieren, was für Lea ein großer und schmerzlicher Verlust war.

So viel musste die nächsten Wochen organisiert werden. Die Beerdigung, Telefonate mit Versicherungen, Ämtern und Behörden. Leas Onkel und seine Frau standen ihr fest zur Seite und halfen ihr, wo sie nur konnten.

Einige Wochen nach dem tragischen Tod stand Lea im Schlafzimmer ihrer Mutter und war versunken in Gedanken an frühere Zeiten. Wie sie oft als Kind ins Bett zu ihrer Mutter gekrochen war, weil sie Angst hatte, ein böses Monster wohne unter ihrem Bett. Oder wenn sie gemeinsam die großen Bettlaken zusammengelegt hatten, die für die kleine Lea die Größe eines großen Segels hatten, unter dem sie sich gern versteckte, wenn ihre Mutter das Zimmer verlies. Während Lea ihren Blick über die Fotos auf der Kommode schweifen lies, welche die schönsten Momente ihrer Kindheit zeigten, und sie sich die Tränen aus den Augen wischte, fiel ihr eine kleine Schachtel auf, die am Boden neben der Kommode stand.

Neugierig hob sie diese auf und setzte sich aufs Bett, um den Inhalt der kleinen Schachtel näher zu betrachten.

Zu ihrer Überraschung fand sie in dieser Box Fotos eines Mannes, der ihr völlig unbekannt war. Sie kramte weiter und entdeckte alte Kinokarten, Rechnungen von Restaurantbesuchen, Karten mit Liebesgrüßen und einen kleinen Schlüsselanhänger mit der New Yorker Freiheitsstatue daran.

Zwischen all dem Krimskrams fiel ihr ein Kuvert auf, auf dem ihr Name stand.

Verdutzt dreinblickend öffnete sie den Umschlag und zog einen Brief hervor. Dieser war von ihrer Mutter, datiert auf das Jahr von Leas Geburt.

In den nachfolgenden Zeilen beschrieb ihre Mutter, wie sie ihren Johnny kennengelernt hatte und sie sich beide verliebten. Es war an der Uni, als beide Medizin studierten. John war für ein Jahr in London und beide verbrachten wundervolle Stunden und Tage miteinander, sehr zum Leidwesen ihrer Eltern. Das Jahr neigte sich aber dem Ende zu und Johnny musste wieder zurück in seine Heimat. Beide waren gewillt, sich wiederzusehen und ihre Liebe nicht aufzugeben.

Doch es sollte alles anders kommen. Der Kontakt brach ab. Es waren wohl viele unglückliche Umstände, die dazu führten, dass sie sich nie mehr wiedersahen. Mit der heranwachsenden Lea im Bauch, musste ihre Mutter die Uni abbrechen, sich mit verschiedenen Jobs durchschlagen und sogar wieder zurück in das Elternhaus ziehen. An ein Medizinstudium war nun nicht mehr zu denken. Und Johnny? Was aus ihm wurde, konnte sie nicht herausbekommen. Er schien wie verschollen zu sein.

Lea wischte sich die Tränen aus den Augen und zog nochmals das Foto ihres Vaters hervor. Gut sah er aus, groß und sportlich. Und er hatte ein sympathisches Lächeln. Sie müsse ihn finden, sagte sie halblaut vor sich hin.

So durstöberte sie das Internet, verschiedene soziale Netzwerke und telefonierte viel. Aber eine richtige Antwort bekam sie nicht. Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als nach New York zu fliegen, um nach ihrem Vater zu suchen. Die Chancen, ihren Vater dort noch anzutreffen, standen denkbar schlecht, denn immerhin waren 20 Jahre vergangen. Doch gesagt – getan. So stand sie nun inmitten dieser großen Weltstadt und klapperte ein Spital nach dem anderen ab, um, mit dem alten Foto ihres Vaters in der Hand, irgendein Lebenszeichen zu finden. Tagelang irrte sie durch die Stadt und hatte die Hoffnung beinahe aufgegeben, als sie endlich einen Arzt fand, der auf dem Foto seinen Arbeitskollegen Johnny zu erkennen glaubte. Er meinte, dieser hätte heute Spätdienst, aber er würde ihn anrufen und ihn bitten, in Joe´s Bistro an der Ecke zu kommen.

Da saß sie nun in diesem kleinen Bistro. Mit zitternden Händen und stark klopfendem Herzen schaute sie sich ständig um, ob sie ihren Vater erkennen würde. Da sein Kollege Johnny nicht gesagt hatte, warum er in das Bistro kommen solle, erleichterte Lea die Situation, indem sie den alten Schlüsselanhänger mit der Freiheitsstatue auf den Tisch legte.

Nach zwei Stunden langen Wartens – Lea schien schon aufzugeben – wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als jemand ihr einen kleinen Schlüsselanhänger mit dem Londoner Big Ben vors Gesicht hielt. Lea drehte sich schnell um und sah vor sich einen Mann, der Tränen in den Augen hatte. Er sah ganz eindeutig dem jungen Studenten auf dem Foto ähnlich, welches auf ihrem Schoß lag. Es war eindeutig Johnny – es war eindeutig ihr Vater.

Herr JESUS,

es scheint manchmal unerklärlich zu sein, warum Trennungen vollzogen werden oder Menschen sich aus den Augen verlieren.

Tröste alle getrennten Familien und Paare und führe sie in deiner barmherzigen Liebe wieder zusammen.

AMEN.

Fr. Marcellinus’ Juvi-Geschichte vom 6. Juni 2014

Charlie stand im Bad und schaute in den Spiegel. Die Hände stützten sich auf dem Waschbecken ab. Er fühlte sich leer und müde. Es war ungefähr 5 Uhr morgens und sein Auftritt war wieder ein voller Erfolg gewesen. Charlie war Musiker in einer Band, die sehr erfolgreich durch die Lande zog und Konzerthallen und Festivalgelände mit Horden von Menschen füllte. Massen von jungen Mädchen, die in Charlie ihren Traummann sahen und bei jedem Auftritt in Scharen in den ersten Reihen vor der Bühne mit großen Transparenten standen, auf denen sie ihm ihre Liebe erklärten, drängten sich regelmäßig an die Bühne. Charlie genoss das. Er genoss es, für diese jungen Mädchen der Traummann zu sein und so kam es fast regelmäßig vor, dass er einem seiner Groupies den Traum erfüllte und sie mit aufs Hotelzimmer nahm. Dass er ihnen damit jedoch regelmäßig nicht nur das Herz brach, sondern auch tiefe Narben in den Seelen der Mädchen hinterließ, war ihm egal oder so nicht bewusst, denn auch vergangene Nacht hatte er wieder einen seiner Fans mitgenommen.

Drogen aller Art und Alkohol in rauen Mengen rundeten die After-Show-Partys und die damit verbundenen Abstürze im Hotelzimmer ab. In vollen Zügen nutze Charlie seinen Status des Stars aus, ohne Rücksicht auf die gebrochenen Herzen oder die Eifersucht der anderen jungen Männer, die in ihm eine Konkurrenz für ihre Beziehungen sahen.

Doch was heute passiert war, brachte ihn wirklich zum Nachdenken.

Es war nach einem seiner Auftritte mit seiner Band, als im Backstage-Bereich sein Bruder Jonathan auf ihn wartete. Für Charlie war es eine große Überraschung, seinen kleinen Bruder zu sehen, denn seit er vor vier Jahren seine Musikerkarriere eingeschlagen hatte, sprachen sie eigentlich so gut wie kein Wort mehr miteinander. Hin und wieder eine Grußkarte von seinen Konzerten oder ein Paket zu Weihnachten war eigentlich der ganze Kontakt zu Jonathan. Charlie nahm seinen Bruder in den Arm und bat ihn ganz euphorisch, gleich mitzukommen, denn er war auf dem Weg in einen Club, um den Auftritt zu feiern.

Doch Jonathan unterbrach seinen Bruder, bevor dieser seine Einladung ganz aussprechen konnte. „Tut mir leid Charlie, ich bin nicht allein hier. Ich hab jemanden mitgebracht.“ Jonathan winkte an Charlie vorbei eine junge Frau zu sich her. „Das ist Rebecca, meine Verlobte. Wir wollen im Sommer heiraten.“ Charlie war sichtlich überrascht und schaute ganz verblüfft. „Du willst heiraten?“, fragte er, während er seinem Bruder lachend auf die Schulter klopfte. „Mein kleiner Bruder will heiraten!“, rief er durch den Backstage-Bereich.

„Weißt du, ich bin erwachsen geworden“, sagte Jonathan, während er seinen Arm um seine Verlobte legte, „durch Rebecca ist mir bewusst geworden, was mir im Leben immer gefehlt hat!“ Charlie grinste beiden ins Gesicht und stupste Rebecca an. „Weißt du, er war ein ganz schlimmer Finger, dein Verlobter …“ Jonathan unterbrach seinen Bruder und führte den Satz zu Ende. „… er war ein Schlimmer, doch hat er erkannt, was ihm gefehlt hat. Die Wahrhaftigkeit!“

Charlie aber wollte solche tiefen Gespräche nicht führen, schon gar nicht nach so einem hammermäßigen Auftritt wie heute. Er bat die beiden, doch in den Club mitzukommen. Aber Jonathan und seine Verlobte wollten lieber zurück ins Hotel, weil sie wussten, wie Charlie seine Partys feierte.

Im gleichen Augenblick kamen Charlies Bandkollegen aus der Kabine und zogen laut singend und grölend ihren Bandleader mit Richtung Limousine. Das junge Paar blieb allein zurück. Niedergeschlagen nahm Jonathan seine Verlobte an die Hand und ging zum Ausgang. „Tja, das wars wohl. Ich konnte ihn nicht mal zur Hochzeit einladen. Verstehst du jetzt, warum ich den Kontakt reduziert hatte?“, sagte er zu Rebecca, während sie ins Taxi zum Hotel stiegen.

Charlie feierte die ganze Nacht. Es floss viel Alkohol und er konnte sich eigentlich nicht mehr richtig an die After-Show-Party erinnern, als er jetzt im Bad stand.

„Wahrhaftigkeit …“, sagte er halblaut vor sich hin. „Was meinte er damit? Was wollte er mir damit sagen? Bin ich nicht aufrichtig?“ Charlie blickte in den Spiegel und sah das junge Mädchen schlafend im Bett liegen, das er nach der Party mitgenommen hatte. Sein Blick wurde leer und er setzte sich auf den Rand der Badewanne.

„Bin ich wahrhaftig?“, stammelte er. „Was tu ich denn hier überhaupt?“ Langsam wurde Charlie klar, was sein Bruder mit diesem Wort „Wahrhaftigkeit“ meinte. Jahrelang führte er ein Leben voll mit Alkohol, Drogen und den regelmäßig gebrochenen Herzen, was ihn augenscheinlich zufriedenstellte.

„Mein kleiner Bruder hat es kapiert …“,  begann er lachend, während ihm im gleichen Moment die Tränen kamen. Weinend sank er auf den Boden, den Rücken gegen die Wanne gelehnt und das Gesicht in die Hände hüllend.

In dieser Position verharrte er viele Stunden. Er dachte viel nach, versuchte sein Leben zu reflektieren, seine Exzesse und Abstürze zu verstehen und all die gebrochenen Herzen wieder ins Gedächtnis zu rufen. Voll Erschrecken stellte er fest, wie vielen Menschen er mit seiner Art, seinem Auftreten und seinem Verhalten wehgetan hatte.

Es klopfte an der Badezimmertür. Das junge Mädchen, das einige Stunden vorher mit ihm aufs Zimmer gegangen war, schaute vorsichtig herein. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie. Mit roten, verheulten Augen schüttelte er den Kopf. „Nein“, schluchzte er, „gar nichts ist in Ordnung. Ich hab dir wehgetan. Und nicht nur dir, sondern so vielen Menschen!“ Charlie begann wieder zu weinen. Vorsichtig setzte sie sich zu ihm auf den Boden des Bads und dann begann er zu reden. Er musste einfach jemandem sein ganzes Herz ausschütten und es hätte in diesem Moment auch der Kofferträger oder das Zimmermädchen sein können.

Nach weiteren zwei Stunden, beide saßen noch immer auf dem Boden, schaute sie in Charlies Gesicht. Während sie sich die Tränen aus den Augen wischte, sagte sie mit ruhiger Stimme: „Charlie, ich glaube, du warst zum ersten Mal vollkommen wahrhaftig!“ Mit einem leisen „Danke dafür“ stand sie auf, gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange und ging langsam aus dem Bad, um ihre Sachen zu packen.

Die nächsten Monate waren hart für Charlie. Er telefonierte viel, schrieb Mails, führte ausgiebige Gespräche und zur Überraschung seiner Fans und Bandkollegen gab er bald darauf bekannt, dass er sich aus dem Musikgeschäft aus persönlichen Gründen zurückziehen wird.

Sein Bruder und seine Verlobte bekamen von alldem nichts mit, denn sie waren mit den Hochzeitsvorbereitungen beschäftigt. Und nachdem sie damals hinter der Bühne so stehen gelassen wurden, waren sie sich sicher, dass Charlie nicht zur Hochzeit erscheinen würde. Sie hatten ihn zwar eingeladen, bekamen aber bis zum Tag der Hochzeit keine Antwort. Jonathan stand nun in der Kirche und wartete auf seine Braut, die von ihrem Vater hereingeführt werden sollte. Doch zu seiner völligen Überraschung sah er noch vor seiner Braut seinen Bruder in die Kirche kommen. Charlie nahm seinen Bruder, dem vor lauter Überraschung der Mund offenblieb, in den Arm und flüsterte ihm leise ins Ohr: „Ich kann doch nicht fehlen, wenn mein kleiner Bruder heiratet!“ Und während er seinem Bruder lächelnd zunickte und ihm auf die Schulter klopfte, begann die Orgel zu spielen. Wahrhaftig – Liebe überwindet alles.

Herr JESUS,

hilf uns, dass wir uns nicht hinter irgendwelchen Masken verstecken und andere Menschen täuschen und verletzen. Lass uns erkennen, was es bedeutet – durch deinen Heiligen Geist beseelt –, anderen Menschen wahrhaftige Zeugen deiner Liebe zu sein. AMEN.

Die Juvi-Geschichte vom Mai 2014

David war seit einiger Zeit Aushilfe in einem Einzelhandelsgeschäft. Der Job machte ihm Spaß und er konnte so ein wenig Geld für seinen Führerschein verdienen. Sein Arbeitsfeld war relativ eintönig und die zu bewältigenden Aufgaben monoton. Der ganze Job wäre für ihn eher ein Kreuz als eine Freude – wäre da nicht diese Kollegin.

Auch sie möchte sich ein wenig Geld dazuverdienen, jedoch überschnitten sich die Arbeitszeiten der beiden nicht immer, sodass sie sich nicht regelmäßig sahen. Doch war dies der Fall, war Davids Tag gerettet. Denn Claudia – so heißt seine junge Kollegin – hatte etwas an sich, das ihn einfach verzauberte. Sie hatte so ein Lächeln im Gesicht – eines, das er bis dato noch nicht kannte. Es war nicht ein Lächeln, das man aufsetzt, wenn man lächeln muss, weil der Kunde einen freundlichen Berater wünscht. Auch kein Lächeln, weil man gerade an einen lustigen Witz denkt. Nein, es war so ein Lächeln, das irgendetwas Magisches an sich hatte, was sich David nicht erklären konnte.

Eines Abends nach Dienstende ergab es sich, dass beide – gemeinsam den Betrieb verlassend – ins Gespräch kamen. Sie verstanden sich auf Anhieb gut und unterhielten sich ausgiebig über alle möglichen Themen. Als der Bus kam und David sich von Claudia verabschiedete, war er wieder wie verzaubert von ihrem Lächeln. So kam es, dass sie sich immer öfter nach Dienstschluss trafen oder sich auch außerhalb der Arbeit verabredeten. David und Claudia wuchsen freundschaftlich sehr zusammen. Sie tauschten sich immer aus, wenn einer der beiden eine schwere Zeit hatte, und bekamen einen Rat vom anderen. Und auch dann lächelte Claudia, was David immer faszinierte.

Während der vielen schönen und tiefen Gespräche mit Claudia versuchte David den Schlüssel zu finden, der Claudia immer so fröhlich sein ließ. Und mit der Zeit wurde es ihm klarer und klarer.

Für David eröffnete sich langsam eine Welt, die für ihn seit Langem verschlossen war. Verschlossen, weil er den Schlüssel weggeworfen hatte.

David überlegte lange Zeit, wie er es Claudia erklären konnte, dass sie ihn den Schlüssel finden ließ. So entschied er sich, ihr folgenden Brief zu schreiben:

Liebe Claudia,

lange habe ich gezögert, dir diese Zeilen zu schreiben. Doch es lässt mir so lange keine Ruhe, bis ich dir alles sagen kann, was mein Herz so sehr bewegt.

Keine Sorge, liebe Claudia – es wird kein Liebesgeständnis im eigentlichen Sinne. Ich möchte vielmehr diese Zeilen unserer Freundschaft widmen. Zeilen, die irgendwie versuchen möchten, dir zu sagen, wie lieb mir unsere Freundschaft geworden ist. Du bist ein faszinierender Mensch, der mir vom ersten Moment an gezeigt hat, dass es im Leben nicht nach unten, sondern nach oben geht. Dass man nicht zurückschaut, sondern nach vorn. Du hast mir immer dieses Lächeln geschenkt, das ich eigentlich nicht verdient habe. Ich habe dir viel aus meinem ach so kläglichen Leben anvertrauen können, dich aber auch in letzter Zeit hin und wieder verletzt und enttäuscht – was mir sehr leid tut. Doch war das für dich kein Anlass, unsere Freundschaft zu beenden, sondern sie tiefer werden und uns beide daran wachsen zu lassen. Und all das hast du mit deinem Lächeln gekrönt.

Ich weiß durch deine Erzählungen und dein Leben, wie wichtig Gott für dich ist. Und bitte sag mir, wenn ich falsch liege – aber lässt ER dich so lächeln? Wenn es so sein sollte, meinst du, er könnte auch für mich der Grund werden, dass ich so lächle wie du? Ich habe in den letzten Jahren viel von Gottes Liebe missbraucht, ihn vergessen. Doch deine Dankbarkeit, die du mir immer zeigst, ist einfach so faszinierend ehrlich, dass ich gar nicht anders kann. Deine Dankbarkeit verlangt nichts und ist so uneigennützig. Bitte – hilf mir, ein dankbarer Mensch zu werden und dadurch Gott und den Menschen neu zu vertrauen! Hilf mir, dass ich Gott wieder den Platz in meinem Leben gebe, der ihm zusteht.

In tiefer Dankbarkeit und Verbundenheit

dein David

 

Herr Jesus Christus,

du schenkst uns immer wieder Menschen, die uns die Liebe deines auferstandenen Sohnes auf ganz wunderbare Weise erleben und spüren lassen.

Hilf uns, dass unser Vertrauen in dich durch diese Menschen und ihr gelebtes Vorbild wächst, um zu dir zu gelangen am Ende unserer irdischen Tage – am Tag unserer Auferstehung. AMEN!

Die Juvi-Geschichte vom April 2014

Als David heute von der Schule nach Hause kam, ging er gleich in sein Zimmer. Er verschloss die Tür und warf sich aufs Bett, steckte die Kopfhörer seines iPod in die Ohren und drehte die Musik auf. Seine Mutter, die er einfach in der Küche ignoriert hatte, kam an seine Zimmertür und klopfte. Doch David drehte die Musik noch lauter, bis das Klopfen vom schweren, tiefen Brummen des Basses aus den Ohrstöpseln übertönt wurde. David begann zu weinen. Nach und nach liefen ihm die Tränen über die Wangen. Was heute geschehen war, damit hatte David nie gerechnet.

Es begann vor einigen Wochen. David, gerade 14 Jahre alt geworden, war noch nie verliebt. Er fand zwar hin und wieder ein Mädchen hübsch und auch lieb, doch er war zu schüchtern und zurückhaltend, als dass er sich jemals getraut hätte, sie anzusprechen. Seine Schulfreunde machten sich immer über seine Schüchternheit lustig. Aber damit nicht genug – sie zogen ihn auch damit auf, dass er eben nicht immer die coolsten Klamotten trug oder den neusten Musik- oder Hobbytrend mitmachte.

David war in jeglicher Hinsicht ein Außenseiter.

Das machte ihm immer schwer zu schaffen. Er wollte doch eigentlich nur ein normaler Junge sein, der einfach mit ein paar Schulkameraden befreundet sein darf und ein wenig Anerkennung bekommt – mehr nicht. Aber er schien wohl zu groß sein, dieser Wunsch.

Vor einigen Wochen dann, es war nach der Sportstunde, kam Johanna auf ihn zu. Ohne recht zu wissen, was gerade geschieht, sprach sie ihn an. „David?“ Dieser stand da und wusste nicht, was er sagen sollte.

„Hey du, ich geh gleich heim. Willst du mich ein Stück begleiten?“ David war sprachlos.

Man muss dazusagen, dass Johanna eines der hübschesten Mädchen in der Klasse war und David sie schon immer sehr sympathisch fand. Aber sie gehörte halt zu denen; zu denen, die ihn immer wieder hänselten.

„Das ist deine Chance, sie kennenzulernen“, sagte sich David und gab Johanna ein verklemmtes „Ja“ als Antwort.

So gingen die beiden den Schulweg gemeinsam nach Hause, redeten viel und lachten. David war innerlich ergriffen. „Sie ist voll cool“, dachte er sich.

An der Haustür von Johanna angekommen, tauschten beide ihre Handynummern aus und sie verabschiedete sich von David. Mit einem „Danke“, einem Augenzwinkern und einem leichten Lächeln schloss Johanna hinter sich die Tür.

Es war um David geschehen. „Wahnsinn! Was ist da gerade abgelaufen? Bin ich im falschen Film? Kann mich mal jemand aufwecken?“, brummelte David kopfschüttelnd vor sich hin. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht kam er nach Hause, sodass selbst seine Schwester und seine Mutter ihn anschauten und fragten, ob alles in Ordnung sei. Seine Schwester hielt ihre Hand an seine Stirn und sagte frech: „Ich glaub, er hat Fieber.“

„Ach, lasst mich doch einfach fröhlich sein“, antwortete David gerade heraus.

So trafen sich David und Johanna nun häufig, verbrachten viel Zeit miteinander, schrieben sich SMS und telefonierten bis spät abends.

Für David schien die Welt rundum in Ordnung zu sein.

Eines Nachmittags, David ging heute mit Johanna durch den Park, blieb sie unvermittelt stehen und blickte ihm ins Gesicht. David schaute etwas ungläubig und wartete darauf, dass Johanna etwas sagt. Und wie aus der Pistole geschossen stellte Johanna ihm die Frage: „David, willst du mit mir gehen?“

David blieb der Mund offen und er musste sich auf eine Parkbank setzen. Die Luft, die er einatmen wollte, schien irgendwie nicht bis zu seinen Lungen vorzudringen, denn er war ganz zittrig und atmete in kurzen Zügen. „Äh … ich, äh … äh, Johanna …“ Er wurde ganz rot im Gesicht. „Ich bin ganz sprachlos. Du fragst mich, ob ich mit dir gehen möchte? JA!“, antwortete er ihr.

Johanna freute sich sehr über seine Antwort und umarmte ihn ganz fest. David tat es ihr gleich und konnte sein Glück kaum fassen, während er seine Arme um Johanna legte.

Es war für David der Himmel auf Erden. Schien er doch bisher immer der Pechvogel gewesen zu sein. Sollte er dieses Mal wirklich den Volltreffer gelandet haben?!?

In der Schule saß Johanna dann seit diesem denkwürdigen Augenblick neben David und in den Pausen hingen sie immer gemeinsam ab, flanierten Händchen haltend über den Schulhof, sodass sie jeder sehen konnte.

Zum ersten Mal fühlte sich David als Gewinner und nicht mehr als Außenseiter und Verlierer.

Doch was war heute in der Schule geschehen? David kam fünf Minuten später als sonst zu Johannas Elternhaus, doch Johanna war schon weg. David beeilte sich mit dem Schulweg, damit er Johanna noch vor dem Unterrichtsbeginn sprechen konnte, denn er hatte sich etwas Schönes für sie überlegt. Er wollte mit ihr zum See fahren und dort ein Picknick mit ihr halten.

Johanna stand im Kreis der Jungs, die David immer aufgezogen hatten, und unterhielt sich gut. So gut, dass sie nicht einmal bemerkte, dass David plötzlich neben ihr stand.

Thomas, der Mitschüler, der ihn immer am meisten geärgert hatte, schaute zu David, grinste ihm ins Gesicht und sagte zu Johanna: „Hey Süße, willst du David nicht etwas mitteilen?“

Johanna zuckte zusammen, denn sie hatte noch immer nicht bemerkt, dass David bei ihr stand. Sie versuchte, David von Thomas´ Aussage abzulenken, doch dieser wollte wissen, was Johanna ihm sagen wollte. Diese traute sich nicht, David in die Augen zu schauen, als sie zu ihm sagte: „David, es tut mir leid, aber ich mach Schluss. Ich liebe dich nicht. Ich habe es nie und werde es niemals.“

Davids Welt blieb für einen Augenblick wie versteinert stehen und alles um ihn herum wurde still. Er schaute Johanna mit einem fragenden Blick an, doch bekam er kein Wort heraus. Der Schock über diese abrupte Trennung und das Gefühl, als würde sein Herz aus der Brust gerissen werden, saßen tief in ihm. Dann fingen die Jungs um ihn herum an, laut loszulachen und ihm auf die Schulter zu klopfen. Sie warfen ihm freche und verletzende Sprüche an den Kopf. Und am Ende wusste David: Es war von Beginn an eine Idee von Thomas und seiner Kumpels gewesen, Johanna auf ihn anzusetzen und ihm vorzuspielen, dass sie Gefühle für ihn hätte. David sagte nichts mehr. Er ging schweigend weg. Ging durch den Park – an den Ort, an dem Johanna ihn gefragt hatte – und setzte sich.

Für David war an diesem Tag ein Stück seines Lebens zerbrochen, sein Bild von wahrer Liebe und Ehrlichkeit, seine Hoffnung, Menschen vertrauen zu können. Wir könnten sagen, es zerbrach sein Vertrauen in Gott. Das war vor 13 Jahren. David hat in diesen zurückliegenden Jahren ein Leben geführt, das von Verlustängsten und Vertrauenslosigkeit geprägt war. Und wie sollte er je wieder einem Menschen vertrauen können, wenn letztlich das Vertrauen in Gott fehlte?

Wie ist es um dein Vertrauen bestellt? Dein Vertrauen in Gott?

HERR JESUS,

immer wieder werden wir im Leben enttäuscht.

Hilf uns, in diesen Momenten der Verzweiflung nicht den Mut zu verlieren, sondern stets auf deine große Güte und Liebe zu vertrauen.

Du führst uns zum Heil und das möchte ich von Herzen glauben. AMEN.

Frater Marcellinus’ Jugendvigilgeschichte vom 7. März 2014

Karsten blickte zur Tür seines Zimmers. Er hatte gedacht, es klopft, doch dem war nicht so. Er saß allein auf seinem Bett und starrte zur Tür. Sein Blick war leer.

„Was hab ich da nur getan?“, sagte er sich. „Warum hab ich nicht anders reagiert – jetzt ist es zu spät!“

Vor Kurzem noch schien die Welt von Karsten in Ordnung zu sein. Er hatte zwei liebevolle Eltern, die ihn und seine große Schwester liebten. Sie kümmerten sich immer gut um ihre Kinder, taten stets alles, damit diese glücklich waren und steckten lieber selbst zurück, als dass sie ihren Kindern einen Wunsch nicht erfüllen konnten – sofern dies irgendwie möglich war.

Karsten genoss es. Er hatte viel technisches Zeug im Zimmer stehen – iPad, iPod, einen Laptop, eine Xbox und vieles mehr. Er baute gern Modellflugzeuge und hatte sicher schon an die hundert Flieger gebaut. Diese hingen nun alle an dünnen Fäden von der Decke seines Zimmers. Der Fernseher stand in der Ecke und auf dem Nachttisch lag das Smartphone.

Karsten hatte jedoch immer nur für kurze Zeit Gefallen an all diesen Dingen. Schon wenig später hatte er einen neuen Wunsch. Seine Eltern wussten auch nicht, wie sie es ihrem Sohn vermitteln sollten, dass er seinen Blick nicht nur auf diese materiellen Dinge richten solle. Doch damit stießen sie bei ihrem Sohn auf taube Ohren.

Seine Schwester war vom Wesen her ein ganz anderer Mensch. Ihr war das Familienleben immer wichtig. Sie lebte zwar nicht mehr im elterlichen Haus, jedoch schaute sie mindestens zweimal in der Woche bei den Eltern vorbei – ob nun zum Essen oder einfach auf einen kurzen Kaffee am Nachmittag.

Karsten saß dann meist im Zimmer an einem seiner technischen Geräte und war ganz vertieft, sodass er oft nicht einmal bemerkte, dass seine Schwester zu Besuch war.

Das verletzte Johanna immer sehr, denn sie hatte doch eigentlich immer ein gutes Verhältnis zu ihrem Bruder gehabt. Dass er sich gar nicht mehr für das Familienleben interessierte, war für sie sehr enttäuschend und verletzend.

Immer wieder redete sie auf ihn ein und bat ihn, doch wenigstens auf einen Kaffee aus seinem Zimmer zu kommen. Schweren Herzens nur konnte er sich dann hin und wieder von seinen Spielen oder Programmen losreißen.

„Jetzt ist es wohl zu spät“, sagte sich Karsten immer wieder, während er weiter auf die Tür seines Zimmers starrte.

„Ich wünschte, ich wäre ein besserer Sohn gewesen, hätte mehr Zeit mit meinen Eltern und meiner Schwester verbracht. Warum hab ich sie so enttäuschen müssen?“ Karsten stiegen die Tränen in die Augen und sein Gesicht sank in seine Hände.

Die Modellflugzeuge und der ganze restliche technische Kram – er schien ihn überhaupt nicht mehr zu interessieren. Karsten hatte sogar eine regelrechte Abneigung gegen diese Dinge, gegen die technischen Verlockungen, die ihn von all den schönen Momenten mit seiner Familie abzulenken versuchten. Tagtäglich war er ihnen wie ein Sklave unterworfen und er merkte nicht, dass seine Eltern und seine Schwester ihn davon loslösen wollten.

Jetzt ist es zu spät.

Als es vorhin völlig unerwartet an der Tür klingelte, war Karsten wieder einmal in einem seiner Spiele auf der Xbox vertieft. So merkte er erst gar nicht, dass es klingelte. Erst als es zum zweiten Mal klingelte, schreckte er auf. Das Klingeln schien heute unangenehmer zu sein als die sonstigen Male.

Er stellte fest, dass keiner die Tür öffnete. „Natürlich, Mama hat gesagt, sie fahren mit Johanna in den Park.“ Langsam erhob sich Karsten vom Sessel und ging zur Wohnungstür. „Wer mag das nur sein?“, fragte er sich, während er durch den Türspion schaute.

Die Polizei stand vor der Tür. Er öffnete und schaute die beiden etwas fragend an. Diese zogen ihre Dienstausweise hervor und stellten sich vor.

„Sind Sie Karsten? Dürfen wir hereinkommen?“

Karsten zuckte zusammen. Er hatte doch nie etwas Gesetzwidriges getan.

„Es geht um Ihre Eltern“, sagte einer der Polizisten.

Karsten wurde blass und bat die beiden in die Küche.

„Es tut mir sehr leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihre Eltern und Ihre Schwester heute bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind.“

Karsten sank zusammen und brach in Tränen aus. Damit hatte er nicht gerechnet. Er konnte und wollte es nicht fassen. Doch als die Polizisten ihm die Situation näher erläuterten, begann er zu begreifen, dass es wirklich geschehen war.

Die Polizisten gaben ihm eine Visitenkarte mit der Nummer eines Seelsorgers.

„Vielleicht kann er Ihnen helfen, das Geschehene zu verarbeiten“, so einer der Polizisten.

„Danke“, kam es leise und geknickt über Karstens Lippen.

Die Polizisten verabschiedeten sich von Karsten und verließen die Wohnung.

Still war es. Karsten blickte umher. Nur die große Standuhr im Wohnzimmer hörte er mit ihrem lauten Ticken bis auf den Gang.

Er setzte sich auf sein Bett und schaute ins Leere.

„Wie geht es jetzt weiter? Was mache ich jetzt nur? Wenn ich doch nur die Zeit zurückdrehen könnte, ich würde so vieles besser machen!!“, sagte sich Karsten immer wieder, während er erneut zu weinen begann.

Von Schmerz erfüllt, schlief er unter Tränen ein. Als er wieder aufwachte, war es dunkel geworden. Karsten blickte im Zimmer umher. Dann fiel ihm wieder ein, was er nachmittags erfahren hatte. Er stand schweren Herzens auf – der Fernseher war immer noch an und das Spiel, das er gespielt hatte, noch immer im PAUSE-Modus. Er schaltete das Gerät ab – hatte das alles doch an Glanz verloren.

Karsten suchte sein Handy, um zu schauen, wie spät es ist.

Er sah, dass er einen Anruf in Abwesenheit hatte. Die Telefonliste öffnend, traute er seinen Augen kaum. Seine Mutter hatte ihn angerufen. Anrufzeit: 18.36 Uhr.

„Das kann nicht sein!!!“ Er zuckte zusammen.

„Sie sind doch heute Nachmittag …“ Karsten zögerte, die Rückruftaste zu drücken. Doch eine innere Stimme führte seinen Finger. Zitternd hielt er das Telefon ans Ohr.

„Hallo? Karsten? Bist du es?“, fragte eine Frauenstimme am anderen Ende der Leitung.

Seine Mutter war am Apparat. Karsten brach in Tränen aus und konnte es nicht glauben.

„Wir wollten dich fragen, ob du in die Stadt runterkommst. Wir wollen mit euch Kindern essen gehen.“

Karsten wusste nicht, wie ihm geschah. „In einer halben Stunde bei Luigis Pizza? Wäre schön, wenn du kommst. Dein Papa und deine Schwester würden sich auch freuen.“

„Äh, ich, äh, äh ja, in einer halben Stunde, Luigis, mit Papa und Johanna …“, stammelte er in den Hörer.

Ungläubig legte er auf, blickte in den Spiegel und musste sich selbst kneifen, damit er begriff, dass er nicht träumte. „Wie ist das möglich?“, sagte er zu sich, schnell die Jacke anziehend. Und als er die Haustüre hinter sich zuzog, wurde ihm klar, dass alles nur ein böser Traum gewesen ist.

Herr Jesus,

wie oft enttäuschen und verletzen wir Menschen, die uns nahestehen,

wie oft wünschen wir uns, die Zeit zurückdrehen zu können.

Hilf uns, immer wieder umzukehren

und lass uns noch heute von Neuem beginnen und zu neuen Menschen werden

durch deine Gnade und Barmherzigkeit.

AMEN.

Christina ist da. – Die JuVi-Geschichte vom 7. Februar 2014

Moritz zieht eine kleine Schachtel aus der Sakkotasche. Liebevoll ist sie mit einer kleinen roten Schleife versehen. Seine Hände, ganz feucht vor Aufregung, öffnen vorsichtig die Schachtel. Ein Ring, eingebettet in ein kleines Samtkissen, blitzt hervor.

Moritz möchte seine Freundin endlich fragen, ob sie ihn heiraten will.

Lange genug hat er mit dem Antrag gewartet – gebangt, ob sie die Richtige ist, gehofft, dass er für sie der Richtige ist, Höhen und Tiefen in der Beziehung durchlebt, die schönen und ernsten Seiten einer Partnerschaft erfahren. Doch genau aus diesem Grund möchte er nun seiner Freundin den Heiratsantrag machen, für ihn ist sie die eine Richtige.

Doch blicken wir zwei Jahre zurück. Christina und Moritz waren zu dem Zeitpunkt vier Monate zusammen. Für beide schien das Glück auf Erden vollkommen zu sein. Sie verbrachten jede freie Minute miteinander, teilten das Glück, dass sie sich gefunden hatten durch Spaziergänge, Filmabende und lange Telefonate.

Beide waren unglaublich glücklich und es gab für sie nur ein „WIR“.

Moritz verdiente in seiner Ausbildung nicht schlecht, ging viel auf Reisen, hatte hier und da eine Freundin oder auch Bekanntschaft, sich aber nie richtig binden können.

Dann verliebte er sich in Christina. Sie war anders als die Mädchen vor ihr, sie hatte etwas an sich, das er so noch nicht gekannt hatte. „Sie muss die Richtige sein!“, sagte er sich immer wieder.

Christina war auch seit längerer Zeit Single. Sie hatte eine längere Beziehung hinter sich, die abrupt endete, da ihr damaliger Freund sie betrog. Das hinterließ Spuren bei ihr, Spuren von Vorsicht, Unsicherheit und Zurückhaltung.

Doch irgendwie schien Moritz ihr Herz schnell zu gewinnen. Sie war selbst überrascht, wie geborgen sie sich bei ihm fühlte, wie er ihr das Gefühl von Sicherheit geben konnte. Ja, man konnte sagen, sie war verliebt.

Doch nach einigen glücklichen Monaten musste sie erschreckt feststellen, dass ihr geliebter Moritz den Anschein machte, doch nicht der verheißungsvolle Prinz zu sein.

Moritz hatte eine Angewohnheit, die Christina schon bald auffiel. Er flirtete immer mit allen möglichen Mädchen in seiner Nähe. Ob mit der Kassiererin im „Billa“, mit der Kellnerin im Bistro an der Ecke, mit ihren Freundinnen, wenn sie sich mal mit der Clique trafen.

Anfangs versuchte Christina, es zu verdrängen und sich einzureden, es würde sie nicht stören. Doch es störte sie – sogar sehr. Moritz schien das überhaupt nicht zu bemerken und machte so weiter wie bisher.

Eines Tages nahm Christina allen Mut zusammen und sprach Moritz auf sein Flirten an. Sie hatte Angst, dass er sie für eine Verrückte hielt oder sich durch ihr Verhalten eingeengt fühlte, doch sie hatte das innere Bedürfnis, es ihm zu sagen. So konnte sie die Beziehung nicht weiterführen!

Moritz war sehr überrascht über die Worte seiner Freundin, darüber, dass Christina sich verletzt fühlte, wenn er ständig mit anderen Frauen flirtete. Moritz´ glückliche Welt begann in diesem Augenblick zu wackeln und zu schwanken.

„Was habe ich ihr da nur angetan!“, sagte er sich auf dem Weg nach Hause. Ihm war all das nicht bewusst, was er da getan hatte, es war für ihn halt „normal“. Er war doch in Christina verliebt, nicht in die anderen Mädchen. Doch nun sah er, dass es mit Händchenhalten und einem Kuss eben nicht getan ist, um das Herz einer Frau auf Dauer zu erobern.

Funkstille zwischen beiden. Es war gut so, denn so konnten sie sich Gedanken machen über ihre Beziehung.

Christina war klar, dass es keine gemeinsame Zukunft für sie gab, wenn er sich nicht ändere.

Doch auch Moritz war sich bewusst, dass er etwas an seinem Umgang und Verhalten ändern musste.

Er rief seinen Kumpel Anton an. Mit ihm konnte er immer über alles reden. Warum nun nicht auch über seine Beziehung? Gesagt, getan. Er schnappte sich das Telefon und eine Stunde später saßen beide auf der Couch in Moritz´ Wohnung.

Nach Moritz´ Schilderung fragte Anton seinen Freund: „Du liebst sie wirklich? Ehrlich? Und du könntest dir ein Leben mit ihr vorstellen?“ „JA!“, antwortete Moritz mit kräftiger Stimme.

„Dann ordne dein Leben, richte es auf eine gemeinsame Zukunft aus. Es muss absolutes Vertrauen in einer Beziehung und später in der Ehe geben, sonst ist alles auf Sand gebaut.“

Anton überlegte kurz und gab seinem Freund dann folgenden Rat:

„Du bist ein guter Kerl. Viele Menschen mögen dich so, wie du bist. Du hast charakterliche Eigenschaften, die sich viele Frauen bei einem Mann wünschen. Vergeude sie nicht an irgendwelche Flirts. Du hast dein Glück anscheinend gefunden. Zeig ihr, dass sie die einzige Frau in deinem Leben ist! Ich weiß, dass du das nicht von heute auf morgen schaffst, doch es gibt eine Methode, die ich selbst von einem Bekannten gelernt habe.

Es sind eigentlich nur 3 kleine Buchstaben – 3 K´s:

–       klein

–       konkret

–       konsequent

Was meine ich damit? Versuch dich nicht von heute auf morgen zu ändern, das wirst du nicht auf Dauer schaffen. Beginne mit kleinen Schritten. Im Kleinen liegt die Perle versteckt. Versuch diese kleinen Schritte, hin zu Treue und Vertrauen, konkret auszubauen und in einem dritten Schritt, sie auf Dauer auch konsequent zu halten! Du wirst mit der Zeit selbst eine Veränderung bemerken. Merken, wie viel dir deine Freundin wirklich bedeutet; merken, wie wichtig Treue ist, denn du erwartest doch das Gleiche von ihr, nicht wahr?“

Zustimmend nickte Moritz und bekam wieder Farbe ins Gesicht. „Ja, ich will ein besserer Freund werden. Sie soll sich ganz auf mich verlassen können!“, sprach er mit neuem Mut aus.

Ein langer, schwerer Kampf, bei dem es auch Rückschläge gab, lag hinter ihm. Er lernte aber dazu. Die drei „K´s“ halfen ihm, ein Mann zu werden, der treu ist, der Vertrauen gewonnen hat bei seiner Freundin, aber auch in anderen Lebenslagen.

Christina ist noch immer mit Moritz zusammen, über zwei Jahre nun schon.

„Ob ich sie überzeugen konnte, dass ich mich verändert habe?“ Das Schächtelchen packt er für später in die Tasche seines Sakkos und zündet die Kerzen am Esstisch an. Er hat Christina zu einem romantischen Dinner eingeladen.

„Wird sie wohl ‚Ja‘ sagen?“ Doch Moritz bleibt nicht mehr die Zeit, darüber nachzudenken, denn schon läutet es an der Tür – Christina ist da.

HERR JESUS,

hilf uns, dass wir die Treue zu den Menschen
und auch zu dir stets halten.
Wo wir noch an Treue hinzugewinnen müssen, lass uns durch kleine, konkrete und konsequente Schritte diesem Ziel näherkommen.

AMEN.

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